Piersandro Pallavicini, Ausfahrt Nizza
Da das Leben die Figuren steuert und nicht umgekehrt, kommt es am Lebensende meist zu Entgleisungen der skurrilen Art.
Piersandro Pallavicini kümmert sich in seinem Roman „Ausfahrt Nizza“ um jenen Notausgang, durch den vorzugsweise in der Literatur die Figuren geschleust werden, wenn das Leben verbockt ist und zu Ende geht. Zwei gut abgehangene Ehepaare und ein Witwer als Ehe-Restl rasen in einer Oldie Rallye nach Nizza, um das erlauchte Ambiente, die Restaurants mit Senioren-Touch und die eleganten Kliniken unter Palmen zu genießen.
„Sind wir hier in der Vergangenheit, Henry, fragte Anne. Plötzlich hielt sie die Luft an und flüsterte dann: Philipp!“ Er sah auf. Anne deutete auf den Hügel. Dort stand ein riesiger Dinosaurier!“ (43)
Biographien entwickeln sich selten geradlinig, meist kreisen sie um ein paar Ur-Ereignisse und wer Glück hat erfährt auch noch zu Lebzeiten, worum er kreist.
„Um die Gegenwart zu begreifen, müssen wir die unterschiedlichen politischen Ideen und Theorien verstehen, die es in unserer Geschichte gegeben hat. Denn aus ihnen hat sich der aktuelle Zustand entwickelt. Gleichzeitig soll uns die Vergangenheit Warnung sein, allzu großes Vertrauen in unsere politischen Werte zu setzen.“ (15)
Im Volksmund heißt es, man muss dreimal nach Innsbruck, um es in seiner Belanglosigkeit zu kapieren. Der weltberühmte Theologe Karl Rahner ist tatsächlich dreimal nach Innsbruck, einmal um von den Nazis vertrieben zu werden, ein zweites Mal um vor dem Konzil von den eigenen Leuten ruhig gestellt zu werden, und letztlich um zu sterben. Karl Rahner hat dabei sicher mehr für Innsbruck getan als umgekehrt.
„Ping ist Detektiv. Tagein, tagaus wartet er in seinem Büro. Im Warten ist er ein Meister. Nur im Detektivsein nicht. Denn es passiert nichts, und zwar nie. (10)
In einem Essay lassen sich Eruptionen, die ungefragt aus einem hervorbrechen, insoweit kanalisieren, dass auch die Leser sich mit dem Thema auseinandersetzen ohne davon verschüttet zu werden.
„Ihr Kompass zeigt nach Süden. Sie schreiben in Bildern und essen mit Stäbchen. Sie trauern in Weiß und heiraten in Rot. Der Nachname steht vorne. Die Suppe kommt dafür zum Schluss. In China ist vieles anders.“ (7)
Ein Buch geht üblicherweise nach hinten oder nach vorne los. Nach hinten schauen die Romane wie Tagebücher und erzählen dabei von bereits geschehenen Ereignissen, nach vorne blicken die prognostischen Romane und liefern eine Art Drehbuch, wie die Zukunft ablaufen könnte.
„Als sie fertig gelesen hatte, war Tante Phil blass geworden. Und da sie so schnell keine Angst bekam, wusste Ben, dass das ein schlechtes Zeichen war. „Was ist ein Basilisk?“, fragte er vorsichtig. „Der König der Schlangen“, antwortete sie knapp.“ (13f)