Aktuelle Buchtipps

 

Wolfgang Eder, Ein Eskimo im Sepplland

h.schoenauer - 09.12.2005

Buch-CoverOffensichtlich ist Tirol wirklich so verrückt einmalig, dass es immer wieder verrückt gute literarische Möglichkeiten gibt, dieses Unding aus Mythos und Gebirge darzustellen.

Wolfgang Eder bohrt Tirol mit jener Methode an, die dieses Land als Höhepunkt empfindet: mit der Kulturtechnik des ewigen Eises. Zu diesem Zweck gibt es eine Reise-Geschichte, die Erkundungen alter Missionare gleicht, aber hier wird nicht die Vergangenheit der Bräuche erkundet sondern gleich ihre Zukunft. So ist alles mega-realistisch, wie wir es in der öffentlichen Berichterstattung gewohnt sind, gleichzeitig aber überdreht und prognostisch wahr, wie wir es von uns wünschen, dass wir in wilder Zukunft einmal so sein werden.

Christopher Wurmdobler, Kaffeehäuser in Wien

h.schoenauer - 05.12.2005

Buch-CoverLöffel auf dem Wasserglas, Gesicht nach unten! – So kann nur eine Regieanweisung für gutes Benehmen in einem Wiener Kaffeehaus lauten, tatsächlich muss der Löffel mit dem Gesicht nach unten schauen, wenn er ordentlich serviert sein will.

Christopher Wurmdobler startet seinen Führer durch eine Institution mit einem kulturellen Alphabet. Das Kaffeehaus ist nach Ansicht bedeutender Schriftsteller ein Arbeitszimmer, worin man fast alles kann, aber nichts muss. Der Blickkontakt wird meist über Spiegel hergestellt, und auch die Bedrohung durch amerikanische Coffeeshops hat dem echten Wiener Kaffeehaus nicht geschadet, im Gegenteil, jetzt weiß man endlich, was man daran hat. Das Ritual um Entschuldigung beim Bestellen, die unsterbliche Tante Jolesch, Kaffee himself, Wandschmuck, Wasser und Zeitungen sind Stichworte, die allmählich das Kaffeehaus umkreisen und schließlich dingfest machen.

Anita Pichler, Haga Zussa

h.schoenauer - 01.12.2005

Buch-CoverVielleicht sollte man diesen Text wie Jazz lesen. In einem beiläufigen Hinweis gibt Anita Pichler eine Anregung, wie man sich als Leser dieser beinahe handlungslosen Erzählung nähern könnte.

Tatsächlich passiert äußerlich nicht allzu viel, aber der Brei des Lebens fließt heftig zäh über die abgründigen Absätze. Die Erzählerin hat den Schlüssel zu ihrer Wohnung verlegt, durchs Schlüsselloch sieht sie die Dinge in ihrer Wohnung verstellt und entrückt. Beruflich scheint sie mit Fragebögen unterwegs zu sein, immerhin sucht sie die seltsamsten Menschen auf, um ihnen mehr oder weniger rabiate Fragen zu stellen.

Margit Kröll, Katharina

h.schoenauer - 30.11.2005

Buch-CoverManchmal geht ein Ruck durchs Land und es passiert etwas Aufregendes, aus einer heftigen Leserin ist eine leidenschaftliche Autorin geworden.

Margit Kröll liest seit „immer“ und schreibt seit ihrem zehnten Lebensjahr, dreizehn Jugendromane sind bisher entstanden, nach ihrem ersten publizierten Roman „Johanna …wie alles begann“ gibt es nun den zweiten, der von Katharina handelt.

Lina Hofstädter, Bergiselschlachten

h.schoenauer - 30.11.2005

Buch-CoverAh, was für ein Titel! Nicht bloß eine Schlacht wird in diesem Krimi geschlagen, sondern wie in der Geschichte des Tiroler Freiheitskampfes ein ganzes Bündel!

Eine groß angelegte Schlachtenorgie verbaler und physischer Art bildet den Hintergrund für diesen Lokalthriller gigantischen Ausmaßes, und nicht alle Gefechte gehen für die Beteiligten gut aus. Man denke nur an die klassische Vierte Bergiselschlacht, in der die Tiroler ordentlich Dresch bekommen haben und die sie in der Folge aus ihren Gedächtnissen verbannt haben.

Karin Ivancsics, Süß oder scharf

h.schoenauer - 28.11.2005

Buch-CoverTaugenichtsin ist eine schelmische Berufsbezeichnung für eine arbeitslose Frau, die aber der Gesellschaft nicht die Zunge zeigt sondern ein nettes Gesicht macht, wenn „Pfoti geben“ angesagt ist.

Iris hat einmal im Monat einen Termin beim Sozialamt und erledigt diese Tour routiniert, indem sie genau so viele Gefühle zulässt wie erwartet werden, nämlich keine. Als Belohnung gibt es nach dem Amt immer eine kleine Wurst und die schöne Frage, süß oder scharf. Letztlich geht es im Leben nämlich um den Senf, sonst gar nichts.

Aharon Appelfeld, Geschichte eines Lebens

h.schoenauer - 25.11.2005

Buch-CoverEigentlich bietet dieses Leben Stoff für mindestens drei Schriftstellerleben. Irgendwann, als der autobiographische Erzähler schon fest in der Literatur verankert ist, schütteln die Leser den Kopf, dass es so ein Schicksal nicht nur in der Literatur sondern in "Echt" gibt.

In einer Mischung aus individueller Erinnerung, verdichteter Biographie und literarisierender Erlösungstheorie schreibt der Autor in thematischen Schleifen das auf, was er für die Substanz seines Lebens hält.

Ilse Kilic, Vom Umgang mit den Personen

h.schoenauer - 24.11.2005

Buch-CoverSchon vom Cover glänzen die Bausteine für diese wunderbare Schöpfungsgeschichte herunter. Man nehme viel Sonne, ein Dreieck für Bauch und Brust, einen möglichst kugelrunden Kopf und ein paar Streifen für die Gliedmaßen. Fertig ist die Person.

Im Baukastensystem geht es dann in der Schöpfungsanleitung von Ilse Kilic weiter. Natürlich dreht sich der Großteil der Bauanleitung um die Hauptperson, welche die Leserschaft aus dem vorgefertigten Material zusammenbasteln kann. Bestandteile, Geschichte, Verwendung, wahrscheinliche Härte, Reparatur oder Temperatur der Hauptperson sind die wichtigsten Stationen beim Betreiben der Hauptfigur.

Christa Fuchs, Gudrun Harrer, Besoffene Kapuziner

h.schoenauer - 23.11.2005

Buch-CoverBei Kochbüchern ist es so wie mit den Büchern überhaupt, natürlich steht meist etwas Gutes drin, aber bemerkenswert ist das Drumherum.

Das Kochbuch über die „Besoffenen Kapuziner“ ist natürlich auch gespikt mit Rezepten, aber in der Hauptsache geht es um die Verbesserung des Lebensgefühls. Im Sinne des Romans „Die Verbesserung von Mitteleuropa“ von Oswald Wiener stehen also jene Informationskabel im Vordergrund, die direkt an die Sinnesorgane angeschlossen sind. Die erste Botschaft heißt also, bitte Leser mach Deine Sinnesorgane auf, die zweite berichtet von einem kulturellen Ereignis, das mit einer Speise zusammenhängt, und erst im dritten Schritt gibt es dann das Rezept zum Nachkochen.

Martin Amanshauser, Alles klappt nie

h.schoenauer - 23.11.2005

Österreich und der Weltraum, ein steirischer Strohsack als Inhaber eines Weltkonzerns, österreichische Schwerelosigkeit allenthalben - Martin Amanshauser hat ein verrücktes Szenario gestaltet, wie Österreich tatsächlich im Weltraum verankert ist.

In der Gestalt einer Science-Fiction-Groteske treten auf: Viehböck, der erste und einzige Austronaut, mittlerweile ziemlich kaputt und Lebergeschädigt, Stronach, mit seinen 88 Jahren immer noch hellwach, wenn auch schon etwas hinüber wie immer, Rogan ein aalglatter Schwimmer, der die glatte Haut einer ungeschälten Banane in die Politik eingeführt hat, sowie eine kanadisch-chinesische Weltraumphysikerin, bei der man bis zum Schluss nicht weiß, ob sie nicht geklont ist.