„Es war einmal ein schönes großes Haus am Meer. Zwei Familien wohnten darin, eine links und eine rechts. Es war quer über den Fluss gebaut, damit man ohne große Mühe an das frische Wasser gelangen konnte. Früher hatte eine steinerne Brücke mit Löwenköpfen die beiden Teile des Hauses verbunden. Doch eines Nachts schlug der Blitz ein, mitten auf der Brücke und durch die Brücke hindurch. Die steinernen Löwenköpfe purzelten in den Fluss und niemand konnte mehr hinüber.“ (S. 5)
Die Gehirnforschung hat in den letzten Jahrzehnten unglaublich Fortschritte gemacht und damit das Verständnis für die Vorgänge in unserem Gehirn und für unser Verhalten massiv erweitert. Carola Wegerle macht es sich im Kinderbuch „Die Brücke. Wie funktioniert dein Gehirn?“ zur spannenden Aufgabe, mit den Mitteln des Erzählens, Kindern die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die verschiedenen Aufgaben unserer beiden Gehirnhälften verständlich näher zu bringen.
Sirrus und Hannos Familien leben in zwei gegenüberliegenden Häusern, die einmal durch eine Brücke verbunden gewesen ist. Nach dem Einsturz der Brücke gibt es auf jeder Seite noch Gärten, Felder und Apfelbäume und hat jeder noch genug zu essen. Doch bald schon beginnen sich die Verhältnisse auf beiden Seiten des Grabens merklich zu verändern. Sirrus Familie im rechten Haus wird immer fröhlicher und bunter. Es wird den ganzen Tag gesungen, gemalt, getanzt und gespielt. Auf der anderen Seite wächst das Unkraut auf den Feldern ungebremst und auch das Spielzeug geht langsam kaputt, ohne repariert zu werden. Das Familienleben gestaltet sich zunehmend chaotischer und ungeregelter.
In Hannos Familie im linken Haus wird das Leben hingegen immer farbloser. Es wird genau gerechnet, wann die verschiedenen Arbeiten zu erledigen sind, das Gemüse wächst zwar reichlich, wird aber immer geschmackloser. Hanno wird immer ordentlicher und regelt sein Leben nach einem fest vorgegebenen Rhythmus, während er Sport und Bewegung möglichst vermeidet. Aber auch das Interesse der Familienmitglieder untereinander wird zunehmend kleiner.
Sirrus und Hanno erkennen, dass seit dem Einsturz der Brücke, auf beiden Seiten der Schlucht, die Dinge zunehmend aus der Balance geraten sind und beschließen etwas dagegen zu unternehmen.
Die beiden Häuser symbolisieren die linke und rechte Gehirnhälfte beim Menschen, die durch die Brücke, den Corpus Callosum, miteinander verbunden sind und damit beide Stärken des menschlichen Gehirns miteinander verknüpfen. Die linke Gehirnhälfte für das logische Denken in klaren Regeln, Maßen und Formen zuständig und zeigt z.B. beim Rechnen, bei der Rechtschreibung oder der Grammatik seine Stärken. Die rechte Gehirnhälfte ist für die kreative Seite des Denkens verantwortlich und denkt chaotischer in Farben, Melodien, und Gefühlen und zeigt seine Stärke ganz besonders bei richtigem Stress.
Carola Wegerle gelingt es anschaulich und verständlich die verschiedenen Seiten unseres Gehirns aufzuzeigen und die große Bedeutung der Zusammenarbeit beider Gehirnhälften durch die Brücke zu erklären, indem sie erzählt, was passiert, wenn die Verbindung verloren geht. Vor diesem theoretischen Hintergrund wird am Ende des Buches anhand von zwölf praktischen Tipps gezeigt, wie die jungen Leserinnen und Leser die Zusammenarbeit beider Gehirnhälften gezielt aktivieren und fördern können, um ihre Konzentration und Lernerfolge spielerisch zu verbessern.
Ein überaus empfehlenswertes Sachbuch für Kinder, Eltern aber auch Lehrerinnen und Lehrer, das durch seine klare Sprache komplexe Sachverhalte spielerisch zu vermitteln weiß. Die liebevoll gestalteten und fröhlichen Illustrationen und die wissenschaftlichen Erläuterungen runden das kompakte Erscheinungsbild des Kindersachbuchs gelungen ab.
Carola Wegerle, Die Brücke. Wie funktioniert dein Gehirn? Aus d. Reihe: Schau hinter die Kulissen, ill. v. Marion Weis, ab 6 Jahren
erzählendes Kindersachbuch mit Übungsteil
Klipphausen: Mirabilis Verlag 2022, 72 Seiten, 17,40 €, ISBN 978-3-947857-07-4
Weiterführende Links:
Mirabilis Verlag: Carola Wegerle, Die Brücke. Wie funktioniert dein Gehirn?
Wikipedia: Carola Wegerle
Andreas Markt-Huter, 26-07-2022