Kathy MacMillan, Feuer und Feder
„Der Anführer der Wache räusperte sich. »Diese Sklavin hat Hochverrat begangen, Eure Hoheit. Wir bringen sie gerade zu Hauptmann Dimmin.« Ich erschauderte. Prinz Mati runzelte die Stirn. »Was hat sie getan?« »Eure Hoheit, sie hat in der Bibliothek der Götter einen Brief aus seiner Nische entfernt.« (16)
Mit sechs Jahren musste Raisa ke Comun bei einem Überfall auf ihre Heimat Nath Tarin miterleben wie ihre Eltern ermordet worden sind, sie selbst wurde als Sklavin im Königreich Qilara als Sklavin verkauft. Niemand weiß, dass sie die Tochter eines der Weisen ihres Volkes ist, von dem sie kurz zuvor ein Blatt Papier mit ihrem Herzgedicht erhalten hat. Als sie zur neuen Jung-Tutorin bestimmt wird, erhält sie die Chance, Schreiben zu lernen und damit endlich das Herzgedicht ihres Vaters lesen zu können.
Raisa ist Tysha ke Demit als Jung-Tutorin nachgefolgt, die als Hochverräterin hingerichtet worden ist, nachdem aufgedeckt worden ist, dass sie auf der Seite des Widerstands gekämpft und versucht hat, die Schrift an ihr Volk weiterzugeben. Die niedere Schrift war dem Volk der Qilara und die hohe Schrift dem König allein als oberster Priester vorbehalten, während den Sklaven aus dem Volk der Nath Tarin, die von den Qilaren auf der selben Stufe wie Tiere gesehen werden, die Kunst des Lesens und Schreibens vorenthalten bleibt.
Mit Eifer stürzt sich Raisa unter der strengen Anleitung von Tutorin Laiyonea ke Tirit, der Tutorin des Prinzen, in ihre neue Aufgabe, die komplizierten Zeichen der niederen und später der hohen Schrift zu erlernen. Während des gemeinsamen Unterrichts kommen sich der Thronfolger Prinz Mati und Raisa immer näher. Beide werden aus ihren Träumen gerissen, als Mati aus wirtschaftlichen und machtstrategischen Gründen mit Soraya Gamo, der Tochter des westlichen Wesirs, verlobt wird.
In ihrer Verzweiflung versucht sich Raisa vollkommen auf das Erlernen der hohen Schrift zu konzentrieren, um endlich das Herzgedicht ihres Vaters zu entschlüsseln. Jonis, ein Sklave und Mitglied der Widerstandsgruppe, nimmt mit ihr Kontakt auf und versucht sie für den Widerstand zu gewinnen. Raisa ist bereit, heimlich Akten des königlichen Archivs zu manipulieren, um Lebensmittellieferung für die hungernde Bevölkerung umzuleiten. Immer stärker gerät sie zwischen die Fronten und sieht sich vor der Entscheidung zwischen ihrer Liebe zu Mati und ihrer Verbundenheit zu ihrem versklavten Volk.
Als König Tyno auf der Jagd getötet wird, geraten die Ereignisse für Raisa immer mehr aus dem Ruder. Während Mati sein Nachfolger werden und Soraya heiraten soll, fliegt Raisas Tätigkeit für die Rebellen endgültig auf.
Kathy MacMillans utopischer Roman spielt in einer unbestimmten Welt, in der die Sklaverei und Unterdrückung eroberter Völker wesentlicher Teil des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gefüges sind. Eine zentrale Rolle kommt der Schrift zu, die dem herrschenden Volk vorbehalten bleibt. Die höchsten Ausformungen der Schrift, bleibt der Königsfamilie vorbehalten, die als Hohepriester direkten Kontakt mit den Göttern aufnehmen können. Hierarchie und Schriftgebrauch werden in einem Göttermythos erzählt und gerechtfertigt, der in Teilen jeweils ein jedes Kapitel einleitet und sich am Ende mit der Handlung des Romans verbindet.
Ein überaus lesenswerter Jugendroman um Liebe, den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit, der durch die stark gezeichnete Figuren Raisa und Mati zu überzeugen weiß und die Leserinnen und Leser von Beginn weg in ihren Bann zu ziehen vermag.
Kathy MacMillan, Feuer und Feder. Übers. v. Julian Haefs [Orig. Titel: Sword and Verse], ab 14 Jahren
Weinheim: Gulliver Verlag 2017, 496 Seiten, 19,50 €, ISBN 978-3-407-74796-9
Weiterführende Links:
Gulliver Verlag, Kathy MacMillan, Feuer und Feder
Homepage: Kathy MacMillan (engl.)
Andreas Markt-Huter, 13-02-2018