nikolaus scheibner, ethik der künstlichen intelligenzWenn die Gedichte an die künstliche Intelligenz ausgelagert sind, bleibt dem Individuum nur mehr die Ethik, um sich bemerkbar zu machen. Aber was ist, wenn auch die Ethik der künstlichen Intelligenz untergeordnet wird?

Nikolaus Scheibner kämpft mit „echten“, „selbstgemachten“ Gedichten gegen die künstliche Intelligenz an, die er letztlich als Epoche der Menschheit empfindet, wie früher Stein oder Bronze den Evolutionsschüben der Menschheit einen Namen gegeben haben. Folglich sind die Gedichte auch in Zyklen eingereiht, die auf diese Epochen rekurrieren. Holz / Stein / Kupfer / Eisen / Plastik.

lewis carroll und ilse bintig, alice im wunderland„Alice gähnte und ließ sich ins Gras fallen. Plötzlich entdeckte sie ein weißes Kaninchen mit roten Augen. Es zog eine Uhr aus der Westentasche und rief: »Oh weh, ich komme ja zu spät.« So schnell es konnte, hoppelte das Kaninchen davon. Alice sprang auf und folgte dem seltsamen Tier. Sie sah, wie das Kaninchen unter der Hecke in einem großen Loch verschwand.“ (S. 9 f)

Als Alice einem weißen Kaninchen folgt, hätte sie nie damit gerechnet, dass sich ein anfangs langweiliger Tag zu einem großen Abenteuer entwickeln würde. Dabei trifft sie auf die unglaublichsten Gestalten und trifft am Ende auf die cholerische Herzkönigin, die sie in große Bedrängnis bringt.

kurt leutgeb, kirchstettenKurt Leutgeb geht in seinem Roman „Kirchstetten“ davon aus, dass nichts eindeutig ist. Das beginnt schon mit dem Ort Kirchstetten, der dreimal rund um Wien vorkommt und ständig verwechselt wird. Damit diese Orte wenigstens historisch unverwechselbar werden, verpasst ihnen der Autor jeweils eine einmalige Geschichte.

Das Kirchstetten an der Westbahn, in das sich einst der Dichter Auden zurückgezogen hatte, hat dabei noch den direktesten Kontakt zur üblichen Geschichte. Der sowjetische Dichter Breschnjew aus Tschechowgrad wird 1972 über Nacht ausgebürgert und muss mit zwei Wodka-Flaschen das Land verlassen. In Wien sucht er letztlich Kontakt zur Literaturgeschichte und lässt sich, nachdem er alle falschen Kirchstetten besucht hat, im richtigen absetzen, wo Eden wohnt und seiner Homosexualität huldigt. In einem Gespräch reden die Dichter über die Figuren der Weltgeschichte, wobei Eden eigentlich nur wissen will, warum in Russland die Autofahrer die Scheibenwischer abnehmen, wenn sie parken.

klaus kordon, krokodil im nacken„Die Familie Lenz, die so dicht an der Grenze nach WestBerlin wohnte, dass der eine oder andere westliche Schornstein zum Greifen nah erschien, trat eine Reise durchhalb Europa an – nur um auf die andere Seite dieser Grenze zu gelangen? Ein Umweg, über den sie sich zuvor oft lustig gemacht hatten, der ihnen aber nun ein wenig unheimlich vorkam. Immer wieder mussten sie einander Mut machend zulächeln.“ (S. 21)

Manfred Lenz will mit seiner Frau Hannah und seinen beiden Kindern Michael und Silke im Sommer 1972 über Bulgarien aus der DDR flüchten. Als sie dabei erwischt werden, kommen sie zunächst für einige Wochen in Bulgarien in Haft, bevor sie nach Ostberlin zurückgebracht werden, wo Manfred ein Jahr lang in Stasi-Haft verbringen muss.

simon konttas, ich war ein kleiner gottDie sensiblen Kunstformen Gedicht und Kurzgeschichten lassen sich in ihrer Halbwertszeit des Verfalls hinauszögern, wenn das Gedicht prosaische Züge trägt und die Kurzgeschichte psychologisch-poetische Tiefen aufsucht.

Simon Konttas treibt in seinen Texten Entscheidungen, Stimmungen oder Zustände auf die Spitze, dabei kommt es zu heilsamen Entladungen, einem Gewitterblitz nicht unähnlich. Für die Protagonisten ergibt sich daraus nicht unbedingt Erlösung, aber in therapeutischen Sitzungen mit sich selbst kommt es wenigstens zu einer Erleichterung des Problems.

jean menzies, sagenhafte frauen„Von den Inseln der Karibik bis zu den Bergen Japans, von den Schluchten Schottlands bis zu den Küsten Neuseelands – an jedem Ort und zu jeder Zeit begegnen wir außergewöhnlichen Frauen in den Mythen jeder einzelnen Kultur. Ob Hexe, Kriegerinnen, Göttinnen oder Königinnen – sie hinterlassen ihre Spuren in den Geschichten, die über sie erzählt werden. In diesem Buch findest du eine Auswahl dieser Sagen.“ (S. 5)

In allen Kulturen, Mythen und Religionen der Welt spielen Frauen eine wichtige Rolle. Das Kindersachbucch „Sagenhafte Frauen“ geht der breiten Palette an Heldinnen, Kriegerinnen und Göttinnen in der Geschichte in verschiedenen Regionen und Kulturen nach und erzählt die zentralen Inhalte und Charakter dieser beeindruckenden Erzählungen und Mythen nach.

drago jancar, als die welt entstandBeim großen Blick auf die Welt vergessen wir meist, ihre Entstehung zu beachten. Die Welt entsteht mit jedem Menschen neu und wird ihm spätestens mit der Pubertät über den Kopf gestülpt.

Drago Jančar baut für seinen verdeckt ermittelnden Geschichtsroman über das Slowenien der 1950er Jahre ein einfaches, aber umso wirksameres Erzählgerüst auf. Der pubertierende Danijel wird in einem Wohnblock in Maribor von Vater und Mutter nach einem seltsamen Schwarzweiß-System erzogen. Die Mutter repräsentiert das Religiöse und Vater das Partisanentum, der Junge freilich lernt durch Beobachtung und Erzählungen bei anderen Leuten. So zieht in Sichtweite im Parterre eine gewisse Lena ein, die ab und zu Männer empfängt, was zu diversen Gerüchten führt.

cecilia_heikkilä, dachs und strupps und die wunderliche seereise„Es war einmal ein sehr einsamer Dachs. Früher war er als Kapitän über die Weltmeere gesegelt. Doch der Muth hatte ihn längst verlassen und er war zu alt und ängstlich für Abenteuer. Er lebte ganz allein auf einer Insel mitten im Meer. Sein Segelboot Lilly lag ungenutzt am Steg vertäut.“

Der Dachs, ein alter Seemann hat sich auf einer einsamen Insel zur Ruhe gesetzt und verbringt seinen Alltag mit der immer gleichen Routine. Er geht an den Strand, sammelt Treibholz und Gerümpel, kümmert sich um seinen Meeresgarten und hofft vielleicht doch einmal Post zu erhalten. Er lebt von seinen Erinnerungen als Kapitän auf den Weltmeeren, bis er eines Tages am Strand eine merkwürdige Entdeckung macht.

drago glamuzina, der zweite hauptsatz der thermodynamikUnterliegt die berüchtigte heiße Luft beim Diskutieren dem sogenannten thermodynamischen Gesetz? Dieser zweite Hauptsatz sagt im Volksmund ja nicht viel mehr, als dass die heiße Luft beim Reden immer gleich warm bleibt.

Drago Glamuzina nimmt für seinen Roman über eine kroatische Intellektuellenszene einen sehr aufgeblasenen Titel, weil es zum Wesen dieser Spezies gehört, aufgeblasen zu reden. Gleichzeitig dient das Zitieren des Wärmegesetzes als sogenannte Hirnschranke gegen allzu ungebildete Lektüre. Wer sich also auf diesen Roman einlässt, kann sich als halbwegs intellektuell fühlen, zumal sich der Titel mit einer KI recht schnell dechiffrieren lässt.

magdalena miecznicka, toni sieht alles„Sie waren kaum in die neue Wohnung gezogen, da wusste Toni schon ganz sicher, dass hier merkwürdige Dinge im Gange waren. Eigentlich wusste sie es schon vorher. Noch bevor sie eingezogen waren. Bevor sie das Haus mit ihrer neuen Wohnung überhaupt betreten hatten. Exakt zwei Minuten vorher.“ (S. 11)

Als Toni beim Umzug einen Straßenvermessungstechniker beobachtet, der ausgerechnet gegenüber der Bank seine Messungen durchführt, findet sie das Ganze sofort äußerst verdächtig. Ihre Mutter hingegen ist davon überzeugt, dass Toni eindeutig zu viel Fantasie hat und an jeder Ecke ein Verbrechen vermutet.