Buch-CoverEs gibt Psychologen, die reden eine Stunde lang nichts, und beim Hinausgehen ist der Patient dennoch erleichtert, und dann gibt es welche, die reden in einer Stunde eine Stunde lang, und der Patient ist von dieser Fülle wunderbar entleert.

Susanne Dir gehört eher zu den Vielrednerinnen, sie erzählt dem Leser alles, was er braucht, damit er glücklich ist. Schon der Titel ist etwas barock gewählt, es braucht allerhand, bis da eine Uhr, ein Seil und das Leben zusammenkommen. Und der Untertitel bringt alles aufs Tableau, was irgendwie eine Gattung ist. Als ob die Fülle noch nicht genug wäre, gibt es noch Bilder, Illustrationen und Farblichter als Untergrund. Das Seniorenauge ist jedenfalls bei diesem Buch ziemlich gefordert und als Leser mit nachlassendem Licht ist man nach jeder Seite baff und glücklich, dass man etwas hat entziffern können.

Buch-CoverMinimales Leben, Leben auf Sparflamme – aus der Welt der Murmeltiere kennen wir diesen zurückgefahrenen Zustand. Aber nicht nur manche Tiere fahren über den Winter das Leben zurück, auch mitten in der pulsierenden Zivilisation gibt es immer wieder Menschen, die ihr Dasein auf ein Minimum einschränken.

In Renate Scrinzis Erzählung geht es um drei Personen, die für sich und untereinander das Leben eingefroren haben. Die 71-jährige Luise ordnet ihr Leben, quartiert sich noch in einem guten Hotel ein und geht in den Wald um zu sterben. Das Erfrieren mit vollen Sinnen erinnert an diese vom Dasein gebückte Szenerie an der Baumgrenze, wie sie der frühe Thomas Bernhard bearbeitet hat. Freilich hat Luise noch ein Handy dabei, aber es ist ausgeschaltet und so kann die Heldin erst zu spät und für die Erzählung zur rechten Zeit gefunden werden.

pokos_skitourenbuch.jpgDramatisch schön ist aber auch das Vokabular, das Tourengehern zur Verfügung steht, wenn auf einen gelungenen Aufstieg ein geglückter Abschwung erfolgt ist.

In diesem Skitouren Handbuch geht es auch um das Ansinnen, mit der passenden Sprache jene gigantischen Selbstabenteur in den Mundgriff zu kriegen, mit der man am Montag von der Tour des Wochenendes erzählt und schon wieder die nächste plant.

Buch-CoverDas ist die Eigenschaft guter Erzählungen: Man liest sie zuerst scheinbar nebenbei, und plötzlich hat man alles rund herum vergessen und es sind nur noch die Erzählungen da. Christoph Pichler hat sechzehn solche Erzählungen mit Zeitverzögerung zusammengestellt unter dem edel heruntergespielten Aufreger „Onkel Norberts denkwürdiger Nachmittag“.

Allein wenn man die vier Wörter des Titels, die am Cover wie ein Gedicht unter einander gesetzt sind, für sich nimmt, tut sich schon das Programm der Erzählungen auf. Onkel = Familienbande, Norbert = vertrautes Ansprache unter Insidern, denkwürdig = so aufregend, dass man einen Gedanken daran verschwenden kann, Nachmittag = konkret zeitloser Alltag.

Buch-CoverWie immer bei „ide“-Heften ist auch dieses Themenheft zum 200sten Geburtstag Adalbert Stifters in der Lage, den Deutschunterricht der aktuellen Saison zu verschönern und von der Interessenslage des Stoffes her upzudaten.

Darüber hinaus hat dieses Stifter-Heft auch die freche Eigenschaft, mehrere Generationen des Jahres 2005 in ihrer Stifter-Befindlichkeit zu beschreiben. Was wird vom Stifter-Jahr bleiben, wenn es aus ist?, heißt es süffisant in der Einbegleitung. Nach Ablauf des Stifter-Jahres kann man sagen: eine Menge!

Buch-CoverDamit man sich nicht verzettelt und verschaut, ist dieser Rituale-Sammlung Gotthard Bonells eine kleine Einführung von Peter Weiermeier vorangestellt.

Darin weist der Kulturmoderator auf diverse Eigenheiten der Bonellschen Rituale hin. Gerade die Verschmelzung von öffentlichem Schaugestus und privater Inszenierung des Gesehenen macht das Werk am ehesten zugänglich. Anknüpfend an frühere „Leder-Arbeiten“ geht es um Partikel aus einem inszenierten Orbit sexueller Praktiken.

Buch-CoverOffensichtlich ist Tirol wirklich so verrückt einmalig, dass es immer wieder verrückt gute literarische Möglichkeiten gibt, dieses Unding aus Mythos und Gebirge darzustellen.

Wolfgang Eder bohrt Tirol mit jener Methode an, die dieses Land als Höhepunkt empfindet: mit der Kulturtechnik des ewigen Eises. Zu diesem Zweck gibt es eine Reise-Geschichte, die Erkundungen alter Missionare gleicht, aber hier wird nicht die Vergangenheit der Bräuche erkundet sondern gleich ihre Zukunft. So ist alles mega-realistisch, wie wir es in der öffentlichen Berichterstattung gewohnt sind, gleichzeitig aber überdreht und prognostisch wahr, wie wir es von uns wünschen, dass wir in wilder Zukunft einmal so sein werden.

Buch-CoverLöffel auf dem Wasserglas, Gesicht nach unten! – So kann nur eine Regieanweisung für gutes Benehmen in einem Wiener Kaffeehaus lauten, tatsächlich muss der Löffel mit dem Gesicht nach unten schauen, wenn er ordentlich serviert sein will.

Christopher Wurmdobler startet seinen Führer durch eine Institution mit einem kulturellen Alphabet. Das Kaffeehaus ist nach Ansicht bedeutender Schriftsteller ein Arbeitszimmer, worin man fast alles kann, aber nichts muss. Der Blickkontakt wird meist über Spiegel hergestellt, und auch die Bedrohung durch amerikanische Coffeeshops hat dem echten Wiener Kaffeehaus nicht geschadet, im Gegenteil, jetzt weiß man endlich, was man daran hat. Das Ritual um Entschuldigung beim Bestellen, die unsterbliche Tante Jolesch, Kaffee himself, Wandschmuck, Wasser und Zeitungen sind Stichworte, die allmählich das Kaffeehaus umkreisen und schließlich dingfest machen.

Buch-CoverVielleicht sollte man diesen Text wie Jazz lesen. In einem beiläufigen Hinweis gibt Anita Pichler eine Anregung, wie man sich als Leser dieser beinahe handlungslosen Erzählung nähern könnte.

Tatsächlich passiert äußerlich nicht allzu viel, aber der Brei des Lebens fließt heftig zäh über die abgründigen Absätze. Die Erzählerin hat den Schlüssel zu ihrer Wohnung verlegt, durchs Schlüsselloch sieht sie die Dinge in ihrer Wohnung verstellt und entrückt. Beruflich scheint sie mit Fragebögen unterwegs zu sein, immerhin sucht sie die seltsamsten Menschen auf, um ihnen mehr oder weniger rabiate Fragen zu stellen.

Buch-CoverManchmal geht ein Ruck durchs Land und es passiert etwas Aufregendes, aus einer heftigen Leserin ist eine leidenschaftliche Autorin geworden.

Margit Kröll liest seit „immer“ und schreibt seit ihrem zehnten Lebensjahr, dreizehn Jugendromane sind bisher entstanden, nach ihrem ersten publizierten Roman „Johanna …wie alles begann“ gibt es nun den zweiten, der von Katharina handelt.