Katharina Hartwell, Die Silbermeer-Saga - Der König der Krähen

„Diese Geschichte hat viele Anfänge. […] Sie beginnt mit zwei Hexen und einem Mann ohne Farbe. Sie beginnt mit einer Lüge. Sie beginnt in dem grauen, dem blauen, dem silbernen, dem teerschwarzen Meer. Sie beginnt mit den Kaltwochen, mit den Fischern, die dem Meer nicht trauen, und den verschwundenen Kindern Colms. Vor allem aber beginnt sie mit einem Mädchen.“ (S. 9)

Jedes Jahr am Ende der Kaltwochen, bevor die Fischer des Dorfes Colm wieder zur See fahren, verschwindet ein Kind der Gemeinde spurlos. Nie hat sich jemand auf die Suche nach den verschwundenen Kindern gemacht. Als Tobin verschwindet, zögert seine ältere Schwester Edda keinen Augenblick, um ihren Bruder wiederzufinden.

Edda Valt und ihr kleiner Bruder Tobin wurden als Kinder ausgesetzt und vom Fischer Ruben adoptiert und großgezogen. Ruben lebt allein am Rande des Dorfes Colm, seit seine Frau und sein Kind bei der Geburt gestorben sind. Edda und Tobin werden von den Dorfbewohnern und ihren Kindern als Außenseiter betrachtet und immer wieder schikaniert.

Colm ist ein kleiner Ort am Meer, der für sein Colmin berühmt ist, eine Salbe mit außergewöhnlicher Heilwirkung, die aus den Schuppen der Colmfische hergestellt wird. Dazu müssen die Frauen den ganzen Tag im Fischhaus schwer arbeiten und die Haut der Fische mühsam in Bottichen zu einer Paste zerstampfen. Auf dem Dorf liegt aber auch ein Fluch, der auf die Geschichte von Agatha und Lor zurückgeht. Vor Jahren hatte die Hexe des Dorfes eine große Flut vorausgesagt, die das ganze Dorf zu vernichten drohte. Die Hexe erklärte, dass zwei Kinder geopfert werden müssten, um das Unglück abzuwenden. Die beiden Schwestern Agatha und Lor hatten sich bereit erklärt, ihr Leben für Colm zu opfern.

Edda war sechs Jahre alt und gerade nach Colm gekommen, als das erste Kind aus dem Dorf spurlos verschwunden ist. Seit dieser Zeit verschwindet jedes Jahr zu Beginn der Kaltwochen ein Kind und keines der insgesamt neun Kinder konnte je wiedergesehen werden. Am Rande des Dorfes lebt die Hexe Maron, die jedes Jahr verdächtigt wird, für das Verschwinden der Kinder verantwortlich zu sein.

Am Ende der Kaltwochen haben Edda und Tobin gemeinsam einen Traum von einem geflügelten Schatten, der Tobin mit sich nimmt. Im Dorf geht das Gerücht von einem Krähenkönig um, einem gefiederten Wesen, halb Mensch halb Vogel, der die Kinder mit sich nimmt. Kurz darauf verschwindet Eddas Bruder tatsächlich und sie findet eine schwarze Feder. Begleitet von ihrem Freund Teofin, den hinkenden Sohn des Apothekers sucht Edda bei der Hexe Hilfe, um nach ihrem nach Tobin zu suchen. Maron schickt Edda zu ihrer Schwester Felma auf die Insel Ootland. Diese soll ihr helfen, den König der Krähen zu finden.

Edda stiehlt gemeinsam mit dem merkwürdig blassen und undurchsichtiger Händler Brand, der sich gerade in Colm aufhält, ein Boot und macht sich auf den Weg nach Ootland, um die Suche nach ihrem Bruder zu beginnen. Sie ahnt nicht, dass sie sich auf eine gefährliche Reise mit einem unbestimmten Ziel voller Gefahren und Abenteuer begibt.

Katharina Hartwell erzählt in poetischer Sprache eine geheimnisvolle Geschichte vom Verschwinden kleiner Kinder, nach denen erst ein mutiges junges Mädchen zu suchen beginnt. Die spannende Geschichte gleicht einer Odyssee, die von einem utopischen Land in das nächste führt, die von zwielichtigen Gestalten und fabelhaften Wesen bewohnt werden.

Ein überaus beachtenswertes und lesenswertes Jugendbuch, das durch seine stark gezeichneten Protagonisten ebenso zu überzeugen weiß, wie durch seine poetisch bildhafte Sprache, mit der die Leserinnen und Leser in eine magisch durchwirkte Welt voller mysteriöser Geschöpfe, Abenteuer und Stimmungen entführt werden.

Katharina Hartwell, Die Silbermeer-Saga - Der König der Krähen. Aus d. Reihe: Die Silbermeer-Saga Bd. 1, ab 14 Jahren
Bindlach: Loewe Verlag 2020, 616 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-7432-0366-2

Weiterführende Links:
Loewe Verlag: Katharina Hartwell, Die Silbermeer-Saga - Der König der Krähen
Wikipedia: Katharina Hartwell

Andreas Markt-Huter, 01-04-2021