Buch-CoverScharfe Gedichte sind immer doppelbödig, was scheinbar in einer glatten Schale verpackt ist, stellt sich beim Verzehr oft als stacheliger Kern der Zeitlosigkeit heraus.

Sepp Mall nennt seinen neuen Gedichtband Wo ist dein Haus. Hinter dieser harmlosen Frage, die in den alpenländischen Talschaften gerne gestellt wird, wenn man jemandem ein Quartier zuweisen will, steckt aber auch die lauernde Frage zwischen den Generationen: Warum hast du noch kein Haus gebaut, wo ist dein Haus?

Buch-CoverHinter den Bergen muss etwas Rundes sein, hinter den Bergen liegt vielleicht das Paradies, hinter den Bergen ist das Großmuttermorgenland.

Im Gebirge wächst ein Kind heran, das allmählich in die Härte des lokalen Lebens, in die Kunst des Träumens und in die Vorstellung von Weite und Welt eingeführt wird. Die Lehrmeisterin ist vor allem die Großmutter, die nicht nur in allen Lebenslagen einen überraschenden Kunstgriff parat hat, sondern die auch die Phantasie erweckt.

Buch-CoverDie Ausgabe soll vor allem lesbar sein, heißt es im Nachwort zu den verstreuten Texten. Offensichtlich trauen Germanisten oft selber ihrer Arbeit nicht ganz, weshalb der Germanist Helmut Luger diese Lesbarkeit extra betont.

Und wirklich, die Texte der vor zehn Jahren verstorbenen Anita Pichler stehen im Vordergrund. Die editionstechnischen Angaben und das Ambiente der Entstehung sind diskret in einem Anhang untergebracht.

Buch-CoverWie man durch ein kleines Fenster große Sachen sehen kann, wenn das Fenster gut positioniert ist, kann man als Leser auch durch eine so genannte kleine Anthologie allerhand Bemerkenswertes aus der Tiroler Nachwuchsliteratur herauslesen.

Die neun Autorinnen und Autoren im Alter zwischen sechzehn bis einundzwanzig haben das Thema frei gewählt, das ist ja schon die erste wichtige Botschaft. Was sucht sich jemand aus der Realität aus, dass es darüber einen fiktionalen Text geben soll?

Buch-Cover"Hs Aufgabe war es zu sterben. Meine war, mit seinem Tod weiterzuleben." Das Motto dieser Erzählung Märzschnee funkelt ziemlich brutal vom Buchumschlag. Und innen ist der Trost phasenweise sehr verhalten.

Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schreiben, zitiert die Autorin einen Spruch und bemüht sich, durch Schreiben halbwegs klar zu kommen in der Trauerarbeit.

Buch-CoverKluge Schriftsteller sollen beizeiten mit dem Schreiben aufhören, wenn sie schon lange leben müssen. - So in etwa könnte die Moral von diesem Sachbuch lauten, das sich mit dem Leben und Schreiben des ehemaligen DDR-Schriftstellers Hermann Kant beschäftigt.

Idealerweise stirbt man als Schriftsteller für die Germanistik als junger, vom Leben oder der Gesellschaft verbrauchter Autor, wie es uns N.C. Kaser vorgemacht hat, oder man lässt sich rechtzeitig von einem Auto überfahren, wie Rolf Dieter Brinkmann, damit man mit dem schönen Satz in die Literaturgeschichte eingehen kann.

Buch-CoverIm Zeitalter durchgehender Terrorangst darf man nirgendwo auf der Welt einen Koffer abstellen, ohne dass dieser nicht sofort gesprengt würde.

Diese Erfahrung macht auch der Lebenskünstler Fedele Conte Mamai - wörtlich übersetzt der treue Graf Niemals (S. 78) -, als er nach Jahrzehnten wieder in das Po-Delta zurückkehrt. Irgendwie verliert er den Koffer aus den Augen und ist schon dran. Carabinieri wollen alles wissen, wer warum weshalb, und genau auf diese Fragen weiß der treue Graf keine Antwort.

Buch-CoverDieses Elementar-Buch ist von A bis Z aufregend. Das fängt schon damit an, dass ein Schriftsteller für Randlagen, wie Raoul Schrott es in seinen Romanen und Editionen ist, sich mit einem Dichter der Randlage Südtirol beschäftigt, aufregend ist in der Folge, wie man aus einem mehrbändigen Gesamtwerk einen handfesten griffigen Reader komponiert, und die Frage nach der Unsterblichkeit von Biographien und Werken ist schließlich eine der elementarsten der Literatur.

Raoul Schrott geht die Sache chronologisch an, denn die Zeit ist das einzig Verlässliche bei der Neuherausgabe von Literatur. Unter dem Entstehungsjahr versammelt Raoul Schrott nach subjektivem Augenmaß jeweils die wichtigsten Texte des Kaserschen Produktionsjahrs. Als Präambel gibt es einen kleinen Datenblock, sodann laufen die Texte ab, ganz egal ob Prosa, Brief oder Gedicht. Das germanistische Schema der Gewaltenteilung in der Fiktion ist also aufgegeben zugunsten der biographischen Wertung. So lässt sich oft gut verstehen, wie ein Gedicht aus einem Brief entstanden ist, oder wie ein Briefempfänger höchst persönlich zu einem frischen Gedicht gekommen ist.

Buch-CoverWährend normale Touristen Fotos oder wie im heurigen Jahr Brandwunden aus Griechenland mitbringen, ist es nahezu logisch, wenn ein Schriftsteller frische Texte mit nach Hause bringt.

Thomas Schafferer hat aus seinen spontanen Impressionen seiner Reise auf ägäische Inseln 129 Gedichte geradezu herausdestilliert. Denn wie wohl die Gedichte oft leicht und eingerissen wie zufällig gefundene Papierstreifen vor die Augen des Lesers flattern, sind sie natürlich mit klugem Augenmaß und großer Hingabe komponiert.

Buch-CoverDein Bild ist gemalt / wir bewundern es jeden Tag! – Bereits diese Präambel, die wie ein Grabstein vor die Erzählung gemeißelt ist, lässt erahnen, mit welcher Inbrunst hier ein Vaterbild an die Wand der Erinnerung gehängt wird.

Die strengen Züge des Vaters werden Absatz für Absatz entstrafft, bis allmählich ein gutmütiges, wohlwollenden und trauriges Erinnerungsbild übrig bleibt.