Buch-CoverObwohl Schottland ein weltbekanntes Land ist, und sei es nur wegen der kriminell guten Nebelbänke und des perfekten Whiskys, kennt fast niemand schottische Literatur. Und schon gar nicht schottische Gedichte.

Der folio-Verlag, der mit seiner Serie ‚Transfer’ entlegene Literaturen und vom literarischen Alltag abgeschottete Autoren pflegt, widmet sich mit südtirolerischem Augenzwinkern der schottischen Lyrik, immerhin setzt sich auch die schottische Literatur ähnlich der südtirolerischen aus drei Komponenten zusammen: Englisch – Gälisch –Schottisch.

Der Fachausdruck „digitally remastered“ führt bei Fans immer zu voll gespeicheltem Mund und feuchten Augen, bedeutet er doch in der Musikszene, dass längst verschollene Musikstücke, die sich nur noch als gerumpeltes Geräusch abspielen lassen, plötzlich in hoher Qualität und völliger Frische wieder zugänglich sind.

Thomas Schafferer hat jetzt für seinem Gedichtband alles remastered, was bis er bisher an Untergrundlyrik verfasst hat, und wie Moses einst mit zehn Geboten aus dem Nebel aufgetaucht ist, taucht der Autor hier mit seinen zehn ersten Gedichtbänden als strahlender Poet auf.

Buch-Cover„Dschi-pi-two“ und „Bi-sixteen“, was nach zwei erfolgreichen Bands klingt, sind die poetisch besungenen Abkürzungen der beiden letzten Päpste. Während Johannes Paul der Zweite gerade vor den Augen der Presse mühselig literarisch aufgepäppelt stirbt, macht sich das Lyrische Ich auf nach Rom, um ein Stipendium abzuarbeiten. Als dann Benedikt der Sechzehnte vom Balkon winkt, ist die literarische Mission in Rom abgeschlossen.

Barbara Hundegger lässt schon im Titel für den Leser allerhand offen und lädt ihn ein, sich sein poetisches Bild selbst zu Ende zu denken. „Rom sehen und“ verweist natürlich auf das Sterben, das sich bei diesem Satzanfang wie von selbst auf die Zunge legt. Das freche Und könnte aber auch süffisant entwertend gemeint sein, das lyrische Ich hat also Rom gesehen, na und?

Buch-CoverUnverwechselbare Gedichte entstehen oft dadurch, dass etwas knapp verwechselt wird. In Christian Steinbachers frechem Gedichtband vom Zwirbeln setzt man als Leser gleich einmal die Zwirbeldrüse in Position, aber das ist schon wieder so eine kleine Verwechslung, gezwirbelt wird ja üblicherweise am Bart, das im Kopf drin ist die Zirbeldrüse.

Der Haupteindruck ist vor allem frech, obwohl keine unanständigen Wörter vorkommen, benehmen sich die Gegenstände oft unanständig, um nicht zu sagen, ungewöhnlich daneben.

Buch-CoverWas wie eine Anleitung zum Frohsinn klingt, ist ein aufregender Gedichtband, der letztlich einen tiefen Einschnitt in die übliche Sehweise vermittelt.

Je nach Laune denkt man als Leser bei diesem „schweinischen“ Buchtitel entweder an eine postkapitalistische Kritik des Marktes, worin die so genannten Geldschweine wirklich glücklich werden, oder an die heile Bio-Welt voller Auslauf und Bodenhaltung, worin grunzende Tiere dem höchsten Lebenssinn entgegendämmern.

Buch-CoverSo etwa könnte eine minimale Galaxis aussehen: Finsternis, Sonne, Ich. Wie Planeten kreisen bei Joachim Gunter Hammer diese Begriffe um einander, in seinen Gedichten nämlich können Zustände Festkörper werden und scheinbar feste Begriffe Zustände.

Der Texteindruck dieser lyrischen Galaxis ist zwischendurch so komprimiert, dass man beinahe in das berüchtigte schwarzes Loch auf der Textseite starrt, dann zieht sich der Sprachstrang wieder auseinander und federt um sich selbst. Als graphische Markierungspunkte sind Variationen eines Naturdenkmals eingelegt, in einer abgestorbenen Ast-Vagina eines Rebstocks sitzt jeweils eine Puppe zu einer Ungeburt erstarrt.

Buch-Cover„hau ab sage ich zum mond der bleibt“ (80). Wenn man Julia Rhombergs Gedichte erst einmal neugierig durchstreift, kitzeln einen solche kleinen trotzigen Sätze wie eben vom Mond, der aller Stimmungslagen zum Trotz nie verschwindet.

Schon der Titel des Buches schmiegt sich auf Anhieb ans Leserherz. Die Grashalme, steif, brüchig, hart, biegsam und windangepasst sind oft nur Statisten einer Landschaft, und trotzdem prägen sie jedes Bild durch Farbe und Konsistenz.

Buch-Cover„Präservativ am Stammplatz“ / „Christus ohne Kopf“. - Wie passen diese Dinge zusammen? Und wodurch unterscheiden sie sich?

Nun, Präservativ am Stammplatz ist ein Gedicht über eine zum steifen Ritual gewordene Liebe und Christus ohne Kopf ist ein raffiniert aufgenommenes BildGedicht der Christusstatue aus Rio de Janeiro.

martynova, romSeit jener berühmten Ingeborg-Bachmann-Zeile „Böhmen liegt am Meer“ gilt das Verrutschen der Geographie als beliebtes Mittel der Lyrik, um schräge Gefühls- oder Erkenntnislagen auszudrücken.

Im Kombi-Band der beiden russischen Dichterinnen Olga Martynova und Jelena Schwarz steht Rom als Ort der lyrischen Kernspaltung im Mittelpunkt, aber die Auswirkungen dieser Fusion schlagen heftig nach Russland zurück.

Buch-CoverMit halb gekniffenem Auge durchgeblättert wirken die Gedichte vorerst graphisch ruhig wie vor dem Sturm, und die Lithographien sind so etwas wie Gebrauchsanleitungen für dynamische Prozesse.

Manchmal gleichen diese Bilder einem Fax, dessen Übertragungsmodus mitten in der Sendung in einen andern Zustand gewechselt hat, einige Bilder sind Dünen der Gegenwart, die sich beim Anblick über das Blatt hinaus verschieben, andere Skizzen wiederum sind Reibspuren eines längst über die Zeichenfläche gestrichenen Windes.