hannes hofinger, nasca-healingDer Tiroler Menschenschlag setzt sich generell aus jenen Elementen zusammen, die in touristischen Saison-Prospekten geoffenbart werden. Darin werden Begriffe hochgehalten wie: Schmalz, Almvieh, Brunft, Hormone, Schlitzohr, hinterfotzig, überirdisch oder bodenständig. – Ein Tiroler Roman muss das alles berücksichtigen, was ihn zum schwierigsten Genre der Literatur macht.

Hannes Hofinger nennt sein Projekt des totalen Tirolromans „Nasca-Healing“. Dabei wird gekonnt eine Erzählstaffelei aufgestellt, die Unwahrscheinliches, Reales, Unwirkliches und Geträumtes in Gestalt eines Multi-Hybrids zum Ausmalen bringt. Die Genres Krimi, Schnulze, Romanze, Heimat- und Heiler-Roman sind dabei unauffällig ineinandergesteckt, sodass man bei jedem Umblättern irritiert ist, welche Dramaturgie nun schon wieder am Werk ist.

alfred paul schmidt, anderswoAls erfolgreiche Erzählstrategien gelten seit Jahrhunderten das Labyrinth und der Spaziergang. Im Labyrinth geschieht alles gleichzeitig und aus der Drohnenperspektive sieht man die Ausweglosigkeit, der Spaziergang hingegen wickelt sich chronologisch ab, der Sinn entsteht in einzelnen Schritten, auch wenn das Ziel vielleicht nie erreicht wird.

Alfred Paul Schmidt nennt seinen Spazier-Roman „Anderswo“, denn der Erzähler hat immer den Eindruck, dass es sich überall anderswo abspielt, nur nicht gerade im Nun und Jetzt bei ihm. Diese Einschätzung führt in ein weites Feld von Themen, die alle gleich logisch oder wichtig sind, wenn man sie nur im Kopf aufbereitet und währen des Gehens aus sich herauslässt.

luas meschik, einladung zur anstrengungIn der analogen Welt hat man früher in der Grundschule mit dem Setzkasten gearbeitet. Dabei wurden dem Kind allerhand Buchstaben angeboten, aus denen es jene Wörter nachbauen konnte, die auf der Tafel standen.

Lukas Meschik verwendet eine ähnliche Methode, wenn er sich in einem Essay darüber Gedanken macht, „wie wir miteinander sprechen“. Dabei steht in diesem Fall die Sprache an der Tafel, die wir in einem anstrengenden Verfahren abzuschreiben und anzuwenden versuchen. Der Titelgebende Abschnitt „Einladung zur Anstrengung“ weist darauf hin, dass wir wohl täglich in Routine und Flachsinn verfallen, und dass es sich allemal lohnt, Anwender der Gespräche und ihre Resonanz auf die Gedanken zu beobachten.

wolfgang endres, resonanzpädagogik in Schule und Unterricht„Wenn wir also Unterrichtssituationen wie auch Begegnungen im Alltag neu oder anders betrachten, können wir die verblüffende Wirkung neuer Denkmuster spüren. Zu solchen Resonanzerlebnissen will das vorliegende Buch mit anschaulichen Beispielen anregen.“ (S. 14)

Neue Perspektiven können im Nachhinein, aus der Distanz früher Erlebtes, Handlungen und Ereignisse in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen und ein einst positives Bild ins Negative kippen lassen aber auch umgekehrt. Auch wenn es gelingt negative Denkmuster zu erkennen, lassen sich durch Veränderung der Perspektive verblüffende positive Wirkungen im Alltagsgeschehen erzielen.

andrei bitow, leben bei windigem wetterNirgendwo weht der Wind so aufgekratzt wie an der Grenze zwischen Stadt und Land, zwischen Vorsteppe und Vorstadt. Menschen, die in diesem Aufmarschgebiet für windiges Wetter wohnen, erleben während eines Tages extreme Höhen und Tiefen ihres Lebens. Sollte jemand in dieser Gegend gar Schriftsteller sein, wird er täglich aufgerieben zwischen Sinn- und Schreibkrise.

Andrej Bitows zwei Erzählungen vom „Leben bei windigem Wetter“ sind um 1960 entstanden. In der russischen Literatur egal welcher Epoche müssen immer zwei Geschichten erzählt werden, einmal als Text, der oft als ewiges Manuskript durch die Hände der Untergrundleser geht, und ein andermal als Geschichte der Verhinderung, Verdrängung und des Wegduckens aus dem Literaturbetrieb.

literatur sichten - anthologieLiteraturzyniker ätzen zwischendurch: Wenn irgendwo nichts los ist, macht man eine Anthologie. Eine Anthologie suggeriert immer, dass sie notwendig ist, indem sie viele Themen oder Autoren aneinanderreiht, damit der Leser nicht das Fehlen eines Zentralthemas merkt.

Das Projekt „Literatur sichten“ ist mittlerweile so etwas wie Hausbrauch in Südtirol geworden, indem nämlich das finanziell wohlbestallte Literaturhaus Liechtenstein immer wieder ein Auge auf das benachbarte Südtirol wirft und mit Veranstaltungen, Symposien und Publikationen ab und zu einen Weckruf an die verschnarchten Südtiroler sendet.

thomas sautner, die erfindung der weltSchöpfungsgeschichten haben meist einen Prolog, in dem das Wesentliche erzählt wird. Bei der Erschaffung der Welt geht es nämlich wie in der Genesis darum, dass zuerst nichts ist, und dann durch einen Erzähltrick plötzlich die komplette Welt eruptiert. In der Bibel funktioniert das mit dem Satz vom „Anfang war das Wort“, beim Faust mit der Sonne, die nach alter Weise kreist, im Taoismus beginnt die Welt als mathematische Formel, wonach die Eins die Zwei hervorbringt.

Thomas Sautner hat sich für die „Erschaffung der Welt“ ebenfalls einen funktionierenden Erzählhandgriff einfallen lassen. In der Welt der Stipendien- und Auftragsliteratur wird die Literatur erschaffen, indem plötzlich Kohle auf das Konto der Autoren kommt und vielleicht noch die Durchsage, wie viel Zeichen der abzuliefernde Text haben soll.

ludwig roman fleischer, hundert jahre seewinkelWas für ein Herzstich! - Als Grundschulpädagoge sollst du den Erstklässlern die Liebe zur Heimat beibringen, aber das Land ist so jung, dass es nicht einmal eine Fahne hat.

Ludwig Roman Fleischer beackert den burgenländischen Seewinkel in achtzehn Erzähl-Furchen. Das patriotische Feld ergibt sich aus der Tatsache, dass 1921 das Burgenland als jüngstes Bundesland zur Republik Österreich gekommen ist. Die Erzählungen erstrecken sich über ein Jahrhundert und greifen Sequenzen auf, die erst im Dahinter-Blick jene Verstrickungen offenlegen, die beim Suchen einer neuen Identität auftauchen.

volker demuth, fossiles futurWas für ein universell gekreuzter Begriff! Die Fossilien liegen in ferner Vergangenheit und vom Futur wissen wir nicht, wie lange es hält.

Volker Demuth verwendet für seine Lyrik die unerschöpflichen Begriffsfelder Landschaft und Zeit. In dieser Konstellation verschmelzen Fossilienforscher, Landschaftsarchitekten und Zukunftsdeuter zu einem, nämlich zum Lyriker. Der Autor definiert diese Felder als Kapitel-Unterschriften, die wie Insignien im Buch ausgelegt sind. „Die Gegenwart ist die reale Zukunft einer inexistenten Vergangenheit.“ (35) „Landschaften sind Speichermedien.“ (63)

regina dürig, federn lassenWährend die einzelne Feder als etwas Edles gilt, immerhin verdanken wir dem Federkiel einen Großteil unserer Schriften, gilt der Vorgang für ihre Gewinnung als etwas Brutales. Das Federvieh entgeht dabei oft knapp einem Räuber, indem es Federn lässt. Ähnliches trägt sich in der Erziehung eines Individuums zu. In regelmäßigen Abständen muss es etwas von seiner Identität abwerfen, damit es von den Zugriffen der Gesellschaft halbwegs ungeschoren davonkommt.

Regina Dürig überrascht noch vor Beginn der Lektüre mit zwei Besonderheiten: Einmal ist es die Verwendung des Genres Novelle, und zum anderen das spitze Hochformat des Buches, das als langer Schaft einer Feder ausgeführt ist. Durch dieses Layout ist der Text zu einem gedanklichen Longdrink verformt, in einer Zeile stehen kaum mehr als drei Wörter. Man beginnt daher automatisch mit dem Scrollen, obwohl es am Papier aussichtslos ist, dass dadurch der Text weiterginge. Die einzelnen Zeilen sind offensichtlich als Federäste gedacht, die ineinander verkeilt dann erst die Federfahne ergeben. Und der Ausdruck Novelle weist darauf hin, dass alle Zeilen zusammen gebündelt eine „unerhörte Begebenheit“ ausmachen, die ja das Wesen einer Novelle ist.