jörn birkholz, das ende der liegenden achtDer Weltuntergang muss nicht schrecklich sein, er kann Erleichterung und Sinn verschaffen, wenn zuvor alles schiefgeht.

Jörn Birkholz stellt mit dem „Ende der liegenden Acht“ so etwas wie einen umgekehrten Katastrophen-Roman vor. Üblicherweise sieht man bei Katastrophenfilmen zuerst immer eine heile Welt, wobei viel geturtelt und geliebt wird, ehe beispielsweise der Vulkan ausbricht. Bei Jörn Birkholz ist zuerst die Hartz-4-Hölle los, der Held versinkt im eigenen Hormonstau, auf allen Stockwerken gehen die Lebensentwürfe flöten. Da wirkt es geradezu wie eine Verheißung, als sich die Nachricht verbreitet, ein Atomkraftwerk sei in die Luft geflogen.

andrea wolfmayr, ausnüchterungEchte Provinzromane stellen die wichtigen Fragen in regelmäßigen Abständen. „Aber wie war sie um Himmels willen nun hier gelandet?! Müde, abgearbeitet und fett, fett, fett!“ (10)

Nach den euphorisierenden Aufmischer-Romanen „Weiße Mischung“ und „Roter Spritzer“ geht es in „Ausnüchterung“ um ein schnörkelloses Verhältnis zur Realität.

wilfried steiner, der trost der racheDas Weltall und die Geschichte haben, zumindest wenn es nach dem Volksmund geht, eins gemeinsam: Die dunkle Materie in Gestalt von dunklen Löchern!

Wilfried Steiner knackt die Empfindsamkeit seines Helden Adrian mit dem rasanten Tod eines Onkologen. Im Roman „Der Trost der Rache“ stirbt der Vater Adrians an Krebs, obwohl er als Onkologe diesen ja vom Wissen her zähmen hätte müssen. Adrian geht es nicht mehr aus dem Kopf, dass wir letztlich nichts wissen und von Dunkelheit umgeben sind. Als Trauerarbeit wird er mit seiner Frau Karin auf die Kanareninsel La Palma reisen, um endlich durch das große Teleskop zu blicken, was seine Hobbykarriere als Astronom veredeln und zur allgemeinen Beruhigung beitragen soll.

rosa s, ich musst die rute küssenWenn die Aufklärung nicht einmal in Zeiten der Globalisierung die Menschen erreicht, wie schlimm muss es erst in Zeiten gewesen sein, wenn alle noch in Tabus und totalitäre Staatsgefüge verstrickt sind?

Rosa S.‘ Lebensgeschichte ist mehrfach gefiltert wie Radioaktivität, mit der niemand ungeschützt in Berührung treten will. Anlässlich einer Radiosendung ist Rosa S. anonymisiert aufgetreten, um von ihrem geschlagenen Leben voller Gewalt zu erzählen. Die Reaktionen sind überraschend und mitfühlend. Die mittlerweile 80-jährige stellt mit Einverständnis ihrer Kinder eine schriftliche Fassung her, welche die Gewalt beschreibt, aber eventuell noch Lebende nicht denunzieren möchte.

lenz koppelst%C3%A4tter, nachts am brennerManche Orte sind so kalt, düster, aufgewühlt und abgehängt, dass ihnen nur noch ein Krimi beikommen kann. Ein Musterort für Krawall, Entgleisung, Mord und Totschlag ist der Brenner.

Lenz Koppelstätter ist der intellektuellste unter den Südtiroler Krimi-Machern. Allein sein Commissario Grauner, dessen Herz an einem Bio-Hof hängt und der zum Grübeln am liebsten Gustav Mahler hört, hat sich eine Lebensneugierde bewahrt, die ihn wohltuend von den üblichen angefressenen Beamten dieses Genres unterscheidet. Sein kongenialer Partner aus Sizilien fühlt sich in Südtirol pudelwohl, und das Duo tritt Alltags-kulturell so authentisch auf, dass man vergisst, dass hier eine deutschsprachige und italienische Seele eingespeist sind.

astrid kofler, das fliegen der schaukelEine Gesellschaft kann nur dann glücklich sein, wenn sie mit der jüngeren Zeitgeschichte versöhnt ist. Der Literatur fällt dabei die Aufgabe zu, mit ihren Fiktionen und Analysen einer gemeinsamen Erzählung auf die Sprünge zu helfen.

Astrid Kofler schreibt mit „Das Fliegen der Schaukel“ so etwas wie einen Versöhnungsroman. Zur Jahrtausendwende sitzt in einem Bozner Altersheim die betagte Lehrerin Ada Torelli in verschiedenen Erinnerungsposen herum und lässt das Leben Revue passieren. Unterhaltungsprogramme, das Auftreten von Clowns oder das wortlose Altern von Mitgenossinnen wirken fast wie eine Verhöhnung eines Lebens, das da für ein friedliches Ende zusammengestellt wird.

manfred mixner, die generalinFür einen gelungenen Roman braucht es meist Material und einen Standpunkt. Die Reife des Schriftstellers zeigt sich mit zunehmendem Lebensalter daran, dass ihm das Material ziemlich Wurst ist, er um den Standpunkt aber ringt wie um das Leben.

Manfred Mixner erzählt im Roman „Die Generalin“ vage die Geschichte eines Zeitzeugen, der nach dem Krieg geboren, sein Erwachsenwerden in der ländlichen Steiermark beschreibt. In den Miniaturen der Erinnerung sind viele Elemente einer örtlichen Chronik verarbeitet, aber im Wesentlichen geht es darum, aus den Pixeln der Erinnerung etwas Ganzes zu machen, das es vielleicht in dieser Form gar nicht gegeben hat.

gerald szyszkowitz, marloweEine gute Novelle erfreut nicht nur die Leserschaft, sondern kann auch für den Autor ein Eigengeschenk sein, das sein schreibendes Leben belohnt.

Gerald Szyszkowitz hat einst Anglistik und Shakespeare-istik studiert und leidet seither daran, dass man seine These nicht entsprechend würdigt, wonach die Shakespeare-Stücke von Marlowe stammen. In der Novelle Marlowe und die Geliebte von Lope de Vega packt er alle literarischen Begebenheiten, die rund um Marlowe zwischen den Jahren 1564 und 1655 eruierbar sind, zuerst in eine Chronik und anschließend in eine Novelle.

frank schäfer, hühnergötterNeben den allgemein anerkannten Göttern, die mehr oder weniger öffentlichen Zulauf haben, gibt es noch diese speziellen Kleingötter, die für den innigen Individualgebrauch gedacht sind. Oft tauchen diese Götter nur für eine kurze Phase des Lebens auf, können diese aber wie ein echter Gott prägen.

Frank Schäfer zeigt im Roman Hühnergötter seinen Helden in jenem Abschnitt, in dem er ein Angebot für einen langfristigen Tod kriegt. Friedrich wird nach dem Tod des Onkels Adolf dessen Häuschen zugesprochen mit der Einladung, darin seinen Lebenswohnsitz aufzuschlagen. Schon als Friedrich ein Kind war, hat ihm der Onkel das Haus versprochen, er hat es eigentlich für sich zum Saufen gebaut aber erklärt, dass es für den Neffen ist.

sepp mall, hoch über allemIn einem gewissen Alter gibt es für Helden und Leser nur ein Thema: Wir haben Eltern, wir haben Kinder, dazwischen wir.

Sepp Mall erzählt unspektakulär und geduldig von ein paar Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr, in denen dem Psychologen Jakob ungeplant das bisherige Leben nahetritt. Hoch über allem ist ein Wunschbild, worin man während des Nachdenkens in ein Sternbild fliehen könnte, um dem ganzen Erdendasein eine höhere Dimension zu geben.