Buch-CoverWie kann man einen Draht zur Geschichte entwickeln, wenn einem nicht einmal die eigene Mutter bekannt ist? - Die „fremde Mutter“ ist in Christine Haideggers Roman einmal eine biographisch ausgelöschte Person, zum anderen aber auch die Geschichte überhaupt.

Der Roman hat eine dramatische Konstellation, wie ihn keine Kunst, sondern ausschließlich das so genannte Leben entwickeln kann.

Buch-CoverWieder einmal ist das Gebirge jenes Trampolin, in das sich Mittfünfzigjährige voller Erschlaffung fallen lassen in der Hoffnung, dass noch etwas Tolles wird aus dem Leben.

Tim Parks schickt seinen Helden Harold Cleaver ins putzig verrückte Südtirol, um den angeschlagenen Starjournalisten und Versagervater ein wenig für die nächsten Lebensjahre aufzumotzen, Stille ist angesagt.

Buch-CoverMusik ist bei Thomas Meinecke mehr als das Handling von Tönen, genau genommen gibt es ja auch eine Musik der Geschichte, eine Musik der Erotik, und alles, was zwischen zwei Körpern abläuft, ist letzten Endes so etwas wie Musik.

Musik ist eine Universalgeschichte der Gegenwart, worin so seltsam divergente Dinge wie Heimatkunde, Geschichtsbewusstsein, Kulturempfinden, Rollenverständnis und Alltagssexualität abgehandelt werden.

Buch-CoverOft sind es persönliche Bekanntschaften, die einen literarischen Transfer zwischen zwei Kulturgegenden auslösen, in der Literatur kann manchmal eben doch eine einzelne Anstrengung allerhand bewirken.

So eine einzelne Anstrengung hat jetzt auch Günter Vallaster mit seinen Grenzüberschneidungen hingelegt, dabei werden die beiden Zentren der europäischen visuellen Poesie, nämlich St. Petersburg und Österreich, in einem Sammelband kurzfristig verbunden.

Buch-Cover"Stillborn" heißt so viel wie Totgeburt oder tot geboren. Beide Bedeutungen können als Lebensmotto von Elisa angesehen werden, sobald sie über sich nachzudenken anfängt, steigt aus der Kindheit jene Leere auf, die man stillborn nennt.

Dabei ist Elisa im Alltagsleben äußerst erfolgreich, sie handelt nämlich mit Flächen, Wohnflächen, Nutzflächen, Freizeitflächen, und das Wort, das regelmäßig einen Orgasmus auf der Zunge auslöst, heißt Quadratmeter. Elisa ist nämlich Maklerin und hat diesen quadratischen Blick, der aus jeder Wahrnehmung den entsprechenden Nutzen abliest. In der Maklerei ist eine Tirolerin angestellt, die überhaupt Klara Quadrat heißt, so nützlich ist sie, bei ihr ist nämlich die Tiroler Kindheit zu einem einzigen Reservoir an Nützlichkeit ausgebaut.

Buch-CoverDas klarste Lebensprogramm, das sich überhaupt ausdenken lässt, heißt schlicht: Weiter! Dieses kurze Ermunterungswort ist vermutlich stärker als jede Religion, Ethik oder Psychotherapie.

Schon Rolf Dieter Brinkmann hat vor etwa dreißig Jahren mit seinem berühmten Gedicht „Alles macht weiter“ einer ganzen Generation Mut zugesprochen. Darin hat er so beruhigende Gedankenschlieren verfasst wie etwa: „Die Geschichtenerzähler machen weiter, die Regierungen machen weiter, die Vorstädte machen weiter, das Papier macht weiter.“

Buch-CoverDie höchste Erotik tritt dann auf, wenn Alltagsmenschen plötzlich den Gestus von Filmfiguren überstreifen und in Wort und Bewegung zu Heldinnen und Helden der Leinwand mutieren.

Andererseits sind die Bewegungen der Leinwandfiguren so ausgerichtet, dass sie wie in der Sixtinischen Kapelle zwischen dem Göttlichen und der tatsächlichen Welt jenen kleinen Spalt an den Fingerspitzen offen lassen, der Schöpfer und Geschöpfe unterscheidet.

Buch-CoverUnter dem moralisch knalligen Titel „Seitensprung“ stellt sich jeder sofort etwas individuell Aufregendes vor. Bei William Trevor jedenfalls sind unter diesem Titel zwölf abgeklärte Geschichten zusammengefasst, und die Erotik ragt dabei wie ein Büschel Strohblumen der Zuneigung aus einer Vase aus vergangener Zeit.

Schon die erste Erzählung bringt diese seltsame Zuneigung über die Jahre auf einen fulminanten Punkt. Gerade, als die zwei Schwestern die Nachbarschaftshilfe antreten, um vielleicht ihrer Nachbarin zu helfen, ist deren Mann gestorben. Die allgemeine Plauderei geht also sofort in ein begleitendes Hinterbliebenengespräch über, was darf man ansprechen, was bleibt tabu, und ist nicht zwischendurch alles tabu? Hilfreich ist für die Witwe, dass der Mann auf jeden Fall gestorben wäre, nicht nur weil er mit einem dünnen Hemd bekleidet ins Freie gegangen ist.

Buch-CoverIm Beatles-Song über Eleanor Rigby klaubt ein Mauerblümchen in der Kirche den Reis auf, den eine Hochzeitsgesellschaft ausgestreut hat. Seither steht dieser Name für eine Frau, die von jenen Glücksbrosamen leben muss, welche die anderen übrig gelassen haben.

Bei Douglas Coupland ist die 36-jährige Liz Dunn diese stille Außenseiterin. Mit viel Körperfett hat sie sich von der Außenwelt abgeschottet und schiebt ihr Leben als unauffälligen Trabanten durch Vancouver. Ihr Leben ist nur zweimal von einem Deep Impact heimgesucht worden.

Buch-CoverDie Schweiz exportiert nicht nur den Magnetismus von Großkonzernen, der dann allenthalben wieder das Kapital in die Schweiz schickt, Schweizer Autoren kümmern sich in ihren Texten auch um die Befindlichkeiten der Manager, die diese Konzernphilosophie bis zum jeweils bitteren Ende durchziehen müssen.

Neben dem ironischen Business-Autor Martin Suter ist es vor allem Rolf Dobelli, der seinen Managerfiguren beim Älterwerden unbarmherzig auf die Finger und in die Seele schaut.