Johann Kapferer, Die Rabengang

johann kapferer, die rabengangDie Erinnerungsliteratur nimmt die Menschen als Zwischenwirt, um mit ihm ungeahnte Visionen über die Kindheit zu entwickeln. Eine besondere Form dabei ist die zitierte Jugendliteratur, worin jemand im Stile seiner Kindheit seine Träume aus dem Erwachsenenleben erzählt in der Hoffnung, dass es auch die Kids von heute interessieren wird.

Johann Kapferer schreibt Abenteuerbücher, die durchaus aus dem Geiste der eigenen Kindheit verfasst sind. Die sagenumwobene Enid Blyton (gestorben 1968) schwebt im Hintergrund über einem Setting, das hell, zukunftsfroh und sommerlich ist. Ihre Bücher über Kinderbanden in der Ferienzeit prägen noch heute die Vorstellung, wie schöne Ferien gelingen könnten. Wenn man Gang mit Arbeitsgemeinschaft übersetzt, so ist dieses Ferienmodell bis heute bei Groß oder Klein geschätzt, ob man nun einen Banküberfall durchführt, eine Regierung bildet, oder eine naheliegende Ruine erkundet.

Die Geschichte von der Rabengang ist klar und ohne Schnörkel: Zwei Buben beschließen, die angehenden Sommerferien mit der Erkundung einer Ruine zu beginnen, zu der es einen Geheimzugang geben soll. Rechtzeitig zu Sommerbeginn stolpert ihnen ein Rabe zu, der sich den Flügel gebrochen hat. Aber anstatt nach gelungener Heilung wieder abzufliegen, bleibt Rudi, wie der Vogel mittlerweile heißt, in seinem Sanitätskorb sitzen und unterhält die Menschen, die bald einen Narren an ihm gefressen haben. Nach der Zeugnisverteilung gibt es noch einen Überraschungsausflug zum Innsbrucker Flughafen, wo ausnahmsweise keine Apres-Gletscher-Skifahrer abgeholt werden sollen, sondern eine Cousine aus Kanada.

Einen guten Sommer musst du von der ersten Stunde an zelebrieren, weshalb sich das Vogel-Kinder-Quartett die „Rabengang“ nennt und mit dem Abenteuer in der Ruine beginnt.

Da trifft es sich gut, dass zwei Gangster eine ähnliche Idee haben. Sie haben soeben einen analogen Banktresor ausgeraubt und verschleppen die Beute ebenfalls analog in einen geheimen Serviceraum in der Ruine. Bald gibt es ein gegenseitiges Stutzen, Verfolgen, Verstecken und Austricksen. Die Rabengang hat den Vorteil, dass sie den Raben Rudi wie eine Drohne einsetzen kann.

Zur Abrundung wird dann die Behörde eingeschaltet, die vorerst die eingesperrten Kinder aus dem Gemäuer befreit und sie anschließend mit einem echten Helikopter auf Gangsterjagd mitnimmt. Die Bankräuber ergeben sich, als sie das Hubschraubergeräusch hören, sie wissen, dass sie verloren haben. Denn wenn in Tirol irgendwo ein Heli landet, tut er Gutes, und spuckt entweder einen Goldesel am Gletscher aus oder nimmt einen reichen Verletzten mit. So geschieht es auch in diesem Fall, die Beute wird den Gangstern entrungen und sicher bald den geschädigten Reichen übergeben werden.

Illustriert sind die Höhepunkte der Rabengang durch Yeti, der einen unverwechselbaren Porträt-Stil entwickelt hat. Ihm gelingt es easy, verschreckte Augen in der Dunkelheit zum Durchhalten zu bewegen, das Karma einer Ruine in die Ferienköpfe von Kids zu transportieren, oder einen Raben im Frontalangriff auf eine Gangster-Kiste zu zeichnen. Vor allem das Porträt zweier Männer in eleganten Anzügen, die als Edel-Models auftreten, lässt einen im ersten Blick an einen lokalen Wahlkampf denken, ehe man das Bild dann konzentriert in den Kontext zurücklegt.

Johann Kapferer hat mit den Jahren einen einzigartigen Stil entwickelt, der vorerst Verwirrung stiftet, weil er mehrdeutig ist. Ist das nun ein Kinderbuch oder doch eine nostalgische Abrechnung der Großelterngeneration? – Beides. Die Kids werden erst später in ihrem biologischen Herbst, wenn quasi das Klima die Welt vernichtet hat, merken, wie mehrdeutig Träume sein können. Und die Erwachsenen wissen um die Unschuld, die Voraussetzung für Träume ist. Je schöner das Versinken in dieses Abenteuerbuch ausfällt, umso robuster wird das Aufwachen im Tirol der Gegenwart.
 
Johann Kapferer, Die Rabengang. Das Geheimnis der schwarzen Ruine. Erinnerungen an unbeschwerte Jugendjahre in Zirl in Tirol. Mit Illustrationen von Christian Yeti Beirer, ab 9 Jahren
Zirl: BAES Verlag 2021, 120 Seiten, 21,90 €, ISBN 978-3-7534455-8-8

 

Weiterführender Link:
Edition BAES
Homepage: Johann Kapferer
Homepage: Christian Yeti Beirer

 

Helmuth Schönauer, 15-08-2021

Bibliographie

AutorIn

Johann Kapferer

Buchtitel

Die Rabengang. Das Geheimnis der schwarzen Ruine. Erinnerungen an unbeschwerte Jugendjahre in Zirl in Tirol

Erscheinungsort

Zirl

Erscheinungsjahr

2021

Verlag

BAES Verlag

Illustration

Christian Yeti Beirer

Seitenzahl

120

Preis in EUR

21,90

ISBN

978-3-7534455-8-8

Lesealter

Altersangabe Verlag

o.A.

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Johann Kapferer, geb. 1962 in Hall in Tirol, aufgewachsen in Zirl, lebt in Oberhofen.
Christian Yeti Beirer, geb. 1966 in Reutte, lebt in Zirl.