Lilli Thal, Tier aus Stein, Tier aus Gold
„»Drei Flüche für jeden. Sag sie, wir wollen sie endlich hören!« »Unsere Namen aus deinem göttlichen Mund!« »Sag die Flüche, Himmlische!« Als die Göttin nun sprach, klangen ihre Worte wie ein dunkles, geheimnisvolles Lied. »Einer muss zum Tier aus Stein werden, der andere zum Tier aus Gold. Der Dritte aber wird sehend blind sein.«“ (S. 30)
Beim Besuch des Tempels der Göttin der Natur treffen sich die neunjährigen Kinder Ion, ein Gutssohn, Kedros, der Sohn des Archonten der kleinen Insel Malios und Smirkos, der Sohn eines Töpfers. Gemeinsam durchsuchen sie die magische Landschaft hinter den Tempelmauern, wo in einer Lichtung im Wald die Göttin mit ihren Nymphen in ihrem irdischen Haus einkehrt. Ohne es zu ahnen, werden sie Opfer eines sorglos dahingesprochenen Fluchs der Göttin.
In der Lichtung der Göttin entdecken die Drei zutrauliche Tiere und spielen mit zwei Eidechsen „Tempelopfer“. Dabei wird eine Echse leicht verletzt und ein Blutstropfen versickert in der geweihten Erde. Ion fühlt sich in das Innere der Erde gezogen und ein Brausen, jaulen und winseln erfüllt seinen Kopf. Als die Kinder wieder zum Tempel zurückkehren und Ion mit seiner Mutter ein Schaf als Opfer anbieten, wird dieses abgelehnt.
Fünf Jahre später kriechen an der Stelle, wo die kleine Eidechse ihr Blut verloren hat, drei Arai, unterirdische Fluchgeister aus der Erde und fordern von der Göttin die Erfüllung eines in Wut unbedacht ausgesprochenen Fluches ein. Sie verlangen das Leben der drei Kinder, die mit zwölf Jahren zu ihrem Kranichfest in die Welt der Erwachsenen aufgenommen werden. der Göttin bleibt keine Wahl, als dem Verlangen der drei schrecklichen Fluchgeister nachzukommen.
„Wir werden die drei Sterblichen aufspüren und mit ihnen verfahren, wie es dein Fluch befiehlt.“ (S. 31)
Die Göttin, die ihren Fluch zutiefst bereut, ruft den göttlichen Helfer zu sich, um den drei Jungen beizustehen.
Zur gleichen Zeit machen sich die Fluchgeister auf den Weg, und bringen mit viel List Kedros und Smirkos in ihre Gewalt. Während Kedros von einem bösartigen Bäcker an einen Mühlstein gefesselt wird und ohne Unterlass die Mühle drehen muss, bis er selbst zu Stein wird, verwandelt ein Arai Smirkos in eine kleine Ziege, die solange Kunststücke verrichten soll, bis sie vergisst in Wirklichkeit ein Mensch zu sein. Ion hingegen wird tagein tagaus von heftigen Träumen geplagt, die in Erfüllung gehen. Er sucht Rat bei einem Magier namens Poias, der ihn in die Königsstadt Adama zu König Melitorgos bringt, wo er Hilfe finden soll. Ion bleibt die letzte Hoffnung, um den Fluch zu brechen. Doch der König hat andere Pläne mit dem Jungen, dessen Träume die Zukunft voraussagen können.
Lilli Thals düster magische Geschichte spielt vor dem Hintergrund der griechischen Götterwelt, in der Götter und Rachegeister Einfluss auf das Leben der Menschen nehmen. In einer dichten von Magie durchwirkten Atmosphäre wird das Schicksal dreier Kinder geschildert, denen aus Unbedachtheit ein schreckliches Los bestimmt ist.
Die überaus spannend und fesselnd erzählte Handlung atmet ganz den Geist griechischer Mythologie, in der die Menschen Gefangene ihres von den Göttern bestimmten Schicksals sind. Ein überaus lesenswertes Kinderbuch, das auch jugendliche Leserinnen und Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu begeistern vermag.
Lilli Thal, Tier aus Stein, Tier aus Gold. Einer muss zu Stein werden, der andere zu Gold, der Dritte aber wird sehend blind sein, ab 11 Jahren
Hildesheim: Gerstenberg Verlag 2021, 384 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-8369-5919-3
Weiterführende Links:
Gerstenberg Verlag: Lilli Thal, Tier aus Stein, Tier aus Gold
Wikipedia: Lilli Thal
Andreas Markt-Huter, 09-06-2022