E. T. A. Hoffmann, Der goldene Topf
„Am Himmelfahrtstage, nachmittags um drei Uhr, rannte ein junger Mensch in Dresden durchs Schwarze Tor, und geradezu in einen Korb mit Äpfeln und Kuchen hinein, die ein altes hässliches Weib feilbot. […] Auf das Zetergeschrei, das die Alte erhob, verließen die Gevatterinnen ihre Kuchen- und Branntweintische […] und schimpften mit pöbelhaftem Ungestüm auf ihn hinein, so daß er […] nur seinen kleinen, nicht eben besonders gefüllten Geldbeutel hinhielt, den die Alte begierig ergriff und schnell einsteckte. Nun öffnete sich der festgeschlossene Kreis, aber indem der junge Mensch hinausschoss, rief ihm die Alte nach: »Ja renne – renne nur zu, Satanskind – ins Kristall bald dein Fall – ins Kristall!« (S. 9 f)
„Das Märchen aus der neuen Zeit“ erzählt in zwölf „Vigilien“ genannte Kapitel die Geschichte des unbeholfenen Studenten Anselm, der sich auf eine abenteuerliche Reise in die märchenhafte Welt magischer Kräfte begibt.
Nach seinem unangenehmen Zusammentreffen mit der alten Hexe, die ein Fluch auf ihn legt, trifft er auf seinem weiteren Weg an einem Holunderbusch auf „drei in grünem Gold erglänzende Schlänglein“. Eine Schlange mit blauen Augen blickt dem jungen Studenten direkt ins Gesicht, woraufhin sich dieser hoffnungslos in sie verliebt. Anselm wird bei seinem Werben um die Schlange beobachtet und für verrückt gehalten. Auf seinem weiteren Weg wird er von seinem Freund, den Konrektor Paulmann nach Hause eingeladen, wo er dessen Tochter Veronika trifft, die ihn gerne heiraten würde.
Anselm ist zunächst erfreut eine Stelle als Kopierer für den Registrator Heerbrand zu bekommen. Als er jedoch den großen bronzenen Türklopfer betätigen will, verwandelt sich das metallene Gesicht des Klopfers in das Gesicht der alten Hexe. Vor Schreck fällt der Student in Ohnmacht und erwacht in seinem Bett wieder.
Archivar Lindhorst, bei dem Anselm nun eine neue Stelle antreten soll, erzählt seinen Bekannten die merkwürdige Geschichte von Phosphorus, einer schönen Feuerlilie und einem schwarzen Drachen. Die Feuerlilie war Königin des Tals und seine Ur-ur-ur-ur-Großmutter. Als Lindhorst und Anselm sich zufällig beim Holunderbusch treffen, erzählt der Student von seiner Begegnung mit den drei Schlänglein. Der Archivar offenbart Anselm, dass es sich bei diesem um sein drei Töchter handelt, von denen die jüngste mit den blauen Augen Serpentina heißt. Anselm wird als Kopierer alter, unverständlicher Schriften engagiert und taucht immer tiefer in die magische Welt des Archivars ein. Als Veronika befürchtet Anselm zu verlieren, wendete sie sich an die alte Hexe um Hilfe.
Hoffmanns Erzählung „Der goldene Topf“ sprüht vor märchenhafter Magie und dem Wechsel zwischen Phantasiewelt und der biederen Welt des Bürgertums seiner Zeit. Dabei werden die Farben der Liebe in allen romantischen Schattierung gezeichnet. Ein überaus faszinierendes Märchenbuch voller Fantasie, dessen surreale Erzählwelt durch beeindruckende Scherenschnitt-Illustrationen unterstrichen wird.
E. T. A. Hoffmann, Der goldene Topf. Ill. v. Alexander Pavlenko, ab 12 Jahren
Frankfurt a. Main: Edition Faust 2022, 168 Seiten, 20,00 €, ISBN 978-3-945400-48-7
Weiterführende Links:
Edition Faust: E. T. A. Hoffmann, Der goldene Topf
Wikipedia: E. T. A. Hoffmann
Wikipedia: Alexander Pavlenko
Andreas Markt-Huter, 05-12-2022