Sandra Markewitz, Ludwig Wittgenstein
„Anders als viele Menschen, die denken besonders begabt zu sein, besaß Wittgenstein tatsächlich Genialität. Damit ist gemeint, dass er nicht Denkweisen von anderen einfach übernehmen konnte, sondern sein Eigenes in alle Dinge hineinlegen musste, die er tat. Er bildete selbst Muster – sei es in der Philosophie oder Architektur u.a. – anstatt nur die von anderen bereits gegebenen Muster weiterzuführen.“ (S. 12)
In der Reihe „Philosophische Einstiege“ ist diesmal der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein an der Reihe, der mit seinen komplexen und überraschenden Untersuchungen zu Sprache und Kommunikation der Philosophie eine bedeutende Wendung in Bezug auf sprachliche Urteile und Erkenntnisse gab. Sarah Markewitz geht in ihrem Buch dem Leben und Denken Wittgensteins mit viel Einfühlungsvermögen auf den Grund.
Den Anfang machen Ludwig Wittgensteins biographische Stationen, in denen zunächst das behütete Leben Wittgensteins in seinem Elternhaus in der Wiener Alleegasse, eingebettet in das gesellschaftliche und künstlerische Umfeld Wiens um die Jahrhundertwende, beschrieben wird. Dabei wird der wichtige Einfluss von Musik, Kunst und Familiengeschichte auf das Denken des Philosophen hervorgehoben.
Neben biographischen Hinweisen kommen auch Kontakte zu Philosophen wie Gottlob Frege oder Bertrand Russel zur Sprache, Wittgensteins Studium in Cambridge sowie sein Drang nach der Einsamkeit des Denkens. Weitere Stationen seines Lebens sind seine Erfahrungen im 1. Weltkrieg, seine Zeit als Volksschullehrer, sein Liebe zu Marguerite Respinger, die architektonischen Interessen und schließlich seine Hinwendung zur philosophischen Betrachtung der Sprache.
Als erstes wichtiges Werk wird sein „Tractatus logico-philosophicus“ vorgestellt, mit seiner Abbildtheorie der Bedeutung und der berühmten Aussage:
Die Welt ist alles, was der Fall ist. (S. 28)
In weiterer Folge wird Wittgensteins Spätphilosophie im Rahmen seiner Lehrtätigkeit in Cambridge näher betrachtet. In diesen Zeitabschnitt fallen seine unter dem Titel „Denkbewegungen“ zwischen 1930-1932 und 1936-1937 verfassten Tagebücher, die Einblicke in sein Denken und seine Ängste geben. Sein Werk „Philosophische Untersuchungen“ erschien erst nach dem Tod des Philosophen. Im Mittelpunkt dieser handschriftlich verfassten Arbeit stehen Sprachspiele, die der Kommunikation zwischen Menschen zugrunde liegen. Dabei werden die zentralen Regeln und Aspekte der Sprache und Kommunikation philosophisch in Frage gestellt, untersucht und neu gedeutet. Weitere Literatur als Quelle für Wittgensteins Denken sind die von seinen Studenten angefertigten Aufzeichnungen seiner Vorlesungen in den Jahren zwischen 1930-1950.
Anschließend erfahren wir mehr über Wittgensteins Haltung gegenüber anderen Ideen und Philosophen wie zum Solipsismus, zur Philosophie der Antike, zur Metapher des Lichts, zu religiösen Aspekten, zu Otto Weininger, Arthur Schopenhauer, Sören Kierkegaard, William James, Hans Blumenberg u.a.
Mit viel Hintergrundwissen stellt Sandra Markewitz das Leben und Denken des Philosophen in einem großen Bogen von der Kindheit bis zu seinem Denken und Einfluss verständlich und anschaulich zur Schau. Dabei werden die zentralen philosophischen Ideen und Theorien anhand zahlreicher Textbeispiele und Erläuterungen einprägsam und klar erläutert und mit zahlreichen Illustrationen untermalt.
Ein überaus lesenswertes Sachbuch, das kompakt und dennoch detailliert das Leben und Werk Wittgensteins anschaulich zu vermitteln weiß und neugierig auf eine weitergehende Beschäftigung mit den Originalschriften des Philosophen macht.
Sandra Markewitz, Ludwig Wittgenstein. Aus d. Reihe: Philosophische Einstiege, ill. v. Ansgar Lorenz, ab 16 Jahren
Paderborn: Brill / Fink Verlag 2024, 96 Seiten, 21,30 €, ISBN 978-3-7705-6806-2
Weiterführende Links:
Brill / Fink Verlag: Sandra Markewitz, Ludwig Wittgenstein
Philosophie Vechta: Sandra Markewitz
Homepage: Ansgar Lorenz
Andreas Markt-Huter, 19-09-2024