Belletristik

Dietmar Füssel, Menschenfleisch

h.schoenauer - 14.05.2015

In der Literatur ist das Menschenfleisch unlösbar mit dem Rübezahl verknüpft, der in eine Hütte eindringt und die unsterblichen Worte ruft: Ich rieche, rieche Menschenfleisch!

Ähnlich abrupt tritt Dietmar Füssel in die diversen Szenarien menschlicher Schwächen ein und riecht die Situationen mit kalter Lyrik-Schnauze ab. In einer Mischung aus Auszählreim, Flegel-Gedicht oder Altherren-Spucke nimmt er die jeweiligen Situationen auf die Reimschaufel und macht schön geordnete Häufchen daraus.

Sepp Mall, Schläft ein Lied

h.schoenauer - 25.02.2015

Was bleibt an Nachbildern, wenn man schnell die Augen vor der Realität verschließt? - Es bleibt die Kindheit, der Acker, auf dem sich Pflanzen und Kinder tummeln, die Stube, die die Jahreszeiten hinaus sperrt, es bleiben zwei drei Schafe, die unvermittelt auf der Schreibtischplatte auftauchen.

Sepp Mall braucht wie ein genialer Musiker nur zwei drei Handgriffe, um mit  unverwechselbaren Riffs seine Lyrik zum Klingen zu bringen.

Alois Reiter, erden

h.schoenauer - 26.10.2014

Literatur entsteht durchaus aus den unsichtbaren Rissen, die durch jede Gesellschaft verlaufen und an denen sich der Feinfühlige ansiedelt, um zu überleben.

Alois Reiter ist nach mannigfaltigen Berufen in der Stadt letztlich ins Mühlviertel aufgebrochen und zertifizierter Biobauer geworden. Zu einem Schlüsselerlebnis wird ihm jener unfreundliche Akt diverser Mitbewohner, die ihm eines Tages in Wurzelreichweite seines Biotops alte Asphalte von demontierten Straßen zu Füssen legen.

Jürg Amann, Lebenslang Vogelzug

h.schoenauer - 18.09.2014

In der Literatur gibt es letztlich nur zwei Themen: Liebe und Tod. Wenn das Leben ausgeistert, fällt alles ab und diese beiden bleiben übrig.

Jürg Amann hat seinen letzten Gedichtband noch selbst geordnet, während er an dieser Schwelle zwischen Leben und Tod seine Gedichte sortiert hat. Die Themen dieses schmalen Werkes sind dann auch die herbstliche Liebe, Aufrufe, Gebete und Fragment-Sätze, und schließlich der pure Tod.

Sabine Gruber, Zu Ende gebaut ist nie

h.schoenauer - 07.08.2014

Lyrik ist nicht nur der Text, der irgendwie zu den Leserinnen durchdringt, sondern vor allem das Ambiente, die Darbietungsform, das Weiße zwischen den Zeilen, das Haptische zwischen den Fingern, der Klang, der beim Umblättern entsteht.

Sabine Grubers minimalistisches Gedichtbändchen „Zu Ende gebaut ist nie“ erfüllt alle diese Voraussetzungen, um einen Abend der Unvergesslichkeit zu bescheren. Denn ähnlich wie ein imposanter Kino- oder Restaurantbesuch beschert ein Abend mit einem Lyrikband vor allem eine positive Markierung im eigenen Lebensablauf. Eine gelungene Lektüre zerteilt die Zeit in vorher und nachher.

Feridun Zaimoglu, Selbstverschwendung (in drei Bildern)

h.schoenauer - 31.07.2014

Poetik-Vorlesungen dienen wie alle Vorlesungen vor allem dazu, dass sich der Vortragende klar über seinen Stoff wird. Das aufgefädelte Publikum ist dann meist als Ansporn zu sehen, die Sache halbwegs verständlich vorzutragen.

Feridun Zaimoglu wählt für seine Stefan-Zeig-Poetik-Vorlesung in Salzburg die Methode des Revivals seiner drei wichtigsten Bücher. In der sogenannten Selbstverschwendung in drei Bildern erzählt er nicht nur die Rezeptionsgeschichte seiner Romane sondern versucht auch mit der Illusion aufzuräumen, dass sich durch die Darstellung eines Problems etwas verändern ließe.

Isabella Breier, Allerseelenauftrieb

h.schoenauer - 01.07.2014

Das sind immer die aufregenden Texte, wenn das verspielte Erzählen selbst erzählt wird.

Isabella Breier trifft für ihren „Allerseelenauftrieb“ ein üppiges Arrangement. Quer über den Text werden Mikrophone aufgestellt, alle möglichen Datenträger zeichnen Gespräche oder Träume auf, in üppigen Sequenzen werden Fragebögen ausgefüllt und Analysen gestartet.

Wolfgang Hermann, Schatten auf dem Weg durch den Bernsteinwald

andreas.markt-huter - 22.06.2014

Das lyrische Programm eines Autors zeigt sich selbstverständlich in seinen Gedichten, andererseits in poetischen Formeln, die wie Spruchbänder den Gedichtsammlungen überschrieben sind. „Er wollte Gedankenmaschinen bauen, die von solcher Eleganz und Vollkommenheit, im Übrigen ohne jeden praktischen Zweck waren, dass es auch unnötig war, sie zu materialisieren.“ (5)

Nach diesem Konzept entwickelt Wolfgang Hermann seine Gedichte, die oft nur der Bauplan eines Gedichtes sind, das vielleicht der Leser materialisieren muss, indem er es ausspricht oder seine Gedanken als geschmeidige Verstärkung eines Konstruktes hinzufügt.

Martin G. Wanko (Hg), Rosegger Reloaded

h.schoenauer - 06.05.2014

So wie Fahnen von Zeit zu Zeit ausgerollt und wieder zusammengefaltet werden müssen, müssen auch die patriotischen Helden einer Gegend von Zeit zu Zeit aufgefrischt und „reloaded“ werden.

Martin Wanko hat im Umfeld des 170sten Geburtstags von Peter Rosegger mit Hilfe eines Projektes ein paar steirische Amtskollegen eingeladen, Peter Rosegger aufzufrischen und für die Gegenwart herunterzuladen.

Oswald Egger, Euer Lenz

h.schoenauer - 02.04.2014

In der Literaturgeschichte gibt es so magische Kosenamen, die das Herz des Belesenen sofort höher schlagen lassen. Lenz ist so ein poetischer Zauberer, der bei jedem Aufruf an die Grenzen seiner Gedankenkapazität geht, manchmal umringt von einem Gebirge.

Oswald Egger, der Schöpfer einer eigenen poetischen Sprache, nimmt den Kosmos des Lenz auf und gestaltet daraus einen Atlas der Poesie. Der wilde Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792) gilt seit der Erzählung Lenz von Georg Büchner als der heftigste Borderliner der Literatur, der je nach Tagesverfassung eine eigene Tagessprache erfindet. „Wurmloch zu den Wolken“ heißt so eine bekannte Fügung, die sich jeder Leser persönlich auslegen darf.