Martin Baltscheit, Rolf und Rose - Der Dieb der Farben
„Heute ist ein Tag wie kein anderer. Der wichtigste im Leben von Rolf. Er muss sich beweisen und etwas stehlen. Das ist so üblich hier in Unterbach. Rolf ist der Sohn von Bullit. Und Bullit ist der Boss. Das sieht man sofort. Seht mal: Ganz schöner Brocken, was? Der kleine Rolf ist nicht so groß. Und nicht so stark. Und nicht ganz so einfarbig. Da ist ein Fleck am Bauch …“ (S. 10)
Die Welt der Rollasseln von Unterbach und die Welt der Schmetterlinge in Oberbach stehen sich diametral entgegen. Schon die jungen Schüler von Unterbach werden vor den gefährlichen Schmetterling und ihren grässlichen Farben gewarnt. Auf der anderen Seite betrachten die Schmetterlinge Unterbach als den schrecklichsten Ort der Welt, aus dem kein Licht und keine Liebe kommen.
„Die anderen Geister auf dem Hof gehen ihrer gewohnten Tätigkeit nach, ohne etwas zu bemerken, aber der Geist mit den glühend roten Augen schwebt zum Fenster, um einen Blick zu erhaschen. Allerdings passiert dann etwas, das der Geist nicht erwartet. Etwas, das er in all den Jahren, seit er den steinernen Innenhof von St. Ignatius heimsucht, noch nie gesehen hat.“ (S. 5)
„Als die Welt noch jung war, eben erst von den Nebel-Nymphen aus Sternenstaub, Bienenwachs und Rosendornen zusammengewoben, da gab es ein Land namens Ravenholm. Sanfte Hügel, grasbewachsene Ebenen, echoumtoste Berge, tiefe Wälder und glitzernde Bäche. Es war ein wunderschönes Land und es hatte eine Vielzahl unterschiedlicher Bewohner. Zwerge zum Beispiel, Riesen oder Gnome. Aber da waren auch Gurgelschlunde und Finstergrämer.“ (S. 5)
„Der Bär liebte Märchen. Er saß in seiner Höhle, und überall stapelten sich die Märchenbücher. »Niesen verboten«, stand auf einem Schild an der Höhlenwand. Das hatte der Bär aufgehängt, um sich selbst daran zu erinnern, dass er in der Höhle nicht niesen durfte. Einmal hat er so stark niesen müssen, dass alle Büchertürme umgeflogen waren.“ (S. 5)
„Eldridge Hall war auf Lügen gebaut. Seraphina stand am Sims des einzigen Fensters in der obersten Kammer des höchsten Schlossturmes, wo es sogar an den windstillsten Tagen zog. Doch selbst das Fenster war eine Lüge – vor Jahren war es in aller Hast mit Brettern vernagelt worden, und ein Fenster, durch das man nichts sah, war eben nur eine weitere Wand. Jeden Augenblick würde die Ebenholzuhr im Großen Saal drei dröhnende Schläge von sich geben und ein weiteres verschwenderisches Mahl ankündigen, das sich das Königreich nicht leisten konnte.“ (S. 9)
„Wir sind keine gewöhnliche Familie – aber das habt ihr euch vermutlich schon gedacht. Wir Winslows sind Hexen. Beziehungsweise Hexer – ich will die rar gesäten männlichen Nachkommen unserer Familie ja nicht unterschlagen. Winslow-Frauen neigen zu weiblichen Kindern, was vermutlich mehr mit unseren Genen zu tun hat als mit unserer Magie. Unter den Hexenfamilien des nordamerikanischen Festlands gibt es ebenso viele Hexer wie Hexen, bei einigen sind es sogar mehr Männer als Frauen.“ (S. 10)
„Maggie klopfte aufs Sofa und redete auf ihn ein wie eine Verrückte - »Miez-Miez, na, komm schon« -, bis der Kater schließlich das Maul öffnete und leise, aber in aller Deutlichkeit verkündete: »Ich heiße weder Miez-Miez noch Katzi. Sondern Hoagy.« Ein paar Sekunden lang war Maggie erstarrt. Dann schnappte sie nach Luft und sprang auf die Sitzfläche des Sofas.“ (S. 39)
„Meine Mutter brachte mir viele Fertigkeiten bei, damit ich meinem Ehemann eine gute Frau sein würde. Wie man kocht und sauber macht. Wie man webt und näht. Wo man jagt und sammelt. Dabei hätte sie mir besser zeigen sollen, wie man sich beherrscht, um besagtem Ehemann kein Messer in den Bauch zu rammen, wenn er sich als begriffsstutziger Trunkenbold mit böser Zunge entpuppt ... Denn an diesem Tag wurde mein Temperament einer harten Prüfung unterzogen.“ (S. 7)
„Seid gegrüßt, ihr Sterblichen. Mein Name ist Loki, und ich bin ein Gott. Also … in gewisser Weise. Es ist kompliziert. Momentan lebe ich in Midgard (euch auch bekannt als Erde), und zwar in Gestalt eines mickrigen sterblichen Jungen namens Liam. Ich verfüge noch immer über die Kräfte eines mächtigen Gottes, aber es ist mir verboten, sie öffentlich einzusetzen. Außerdem muss ich in die Schule gehen. Niemals hat jemand so sehr gelitten wie ich.“ (S. 9)
„Alle Städte sind Geister. Neue Gebäude entstehen, über den Gebeinen der alten, sodass jeder glänzende Stahlträger, jedes Backsteinhochhaus die Erinnerung an das, was nicht mehr da ist, in sich trägt – ein architektonischer Spuk.“ (10)