Aktuelle Buchtipps

 

Wolfgang Hermann, Die letzten Gesänge

h.schoenauer - 19.07.2016

Wie muss man kleine Begebenheiten, entlegene Landstriche, versteckte Stimmungen oder verlorengegangene Lebensentwürfe aufrüsten, dass man sie als Andeutung gerade noch erzählen kann?

Wolfgang Hermann treibt seine 35 Erzählungen an den Rand der Selbstauflösung, es sind wahrlich letzte Gesänge, wie es in der titelgebenden Geschichte heißt. Diese Kleinodien wirken auf den ersten Blick wie Zugaben zu einem anstrengenden Alltagswerk, diese Piecen tauchen in Verschnaufpausen auf, als Balkonstimmung, wenn in das abendliche Gelände geschaut wird, oder als Notiz eines Stadtplaners, wenn er die ersten Maßeinheiten in die Skizze einträgt.

J. W. Ironmonger, Das zufällige Leben der Azalea Lewis

andreas.markt-huter - 17.07.2016

„»Azaleas Zufälle lagen außerhalb alles Messbaren. Sie ließen sich nicht erklären. Zumindest nicht mathematisch. Genau genommen …« Er hebt das Gesicht und die Sonne fängt seine Miene mit einem gleißenden Lichtstrahl ein. » Genau genommen, sind diese Zufälle möglicherweise der Beweis dafür, dass unser Universum nicht das ist, wofür wir es gehalten haben.«“ (35)

Dr. Thomas Post ist Dozent für angewandte Philosophie an der University of London und hat sich auf das Wesen von Zufällen spezialisiert, für die sich in allen Fällen eine gewisse Wahrscheinlichkeit feststellen lassen kann. Thomas Posts wissenschaftlicher Blickwinkel gerät gehörig ins Wanken, als er im Jahr 2011 Azalea Lewis kennenlernt, deren Leben von merkwürdigen Zufällen bestimmt zu sein scheint, die sich dem gewöhnlichen Menschenverstand entziehen.

Reinhilde Feichter, Frieda und James Bond

h.schoenauer - 14.07.2016

Bildung entsteht letztlich dadurch, dass man sich als Individuum eine persönliche App in seine Psyche herunterlädt, die einem immer erklärt, was man zu tun hat.

Reinhilde Feichter lässt ihre Heldin Emeli Knolleisen so lange im Leben auflaufen, bis sie kapiert, wie es geht. Die Ich-Erzählerin geht dabei recht selbstbewusst vor, wenn es um sie selbst geht, schon die Geburt als Frühchen wird ein Abenteuer, bei dem Emeli als Siegerin hervortritt.

Maki, Peters Wutzauber

andreas.markt-huter - 12.07.2016

„Aber heute läuft alles anders. Peter gießt mit Papa die Blumen. Da spritzt Papa Wasser auf Peters Hand. Nur wenig, und nur aus Versehen. Peter wird rot vor Zorn und beginnt zu schreien. Papa, das ist eiskalt! Du dummer Kühlschrank!“

Eigentlich ist Peter ein braver Junge, wie ihn sich Eltern nur wünschen können. Er kocht mit seinem Papa und hilft seiner Mutter sogar manchmal beim Aufräumen. Auch zu seiner kleinen Schwester und seinem Hund ist Peter nett und für seine Freunde macht er schon manchmal den Kasper, um sie zu erheitern. Seine Kindergärtnerin ist ganz besonders zufrieden mit ihm. Doch eines Tages hat er einen ungewöhnlichen Wutanfall.

Albert Ennemoser, Bunte Geschichten

h.schoenauer - 10.07.2016

Immer wieder machen sich in der Malerei Sequenzen selbständig und werden zur Literatur. Aus Bildbeschreibungen, Paint-Journalen oder Katalogvorgaben nehmen zwischendurch Texte Reißaus und flüchten in einen eigenen Erzählband, der dann vielleicht „Bunte Geschichten“ heißt.

Albert Ennemosers knapp dreißig Geschichten spielen sich entlang von Ausstellungen, Installationen, Kunsthandwerken oder Kunstreisen ab. Oft reist das sehende Auge einem Kunstobjekt nach, erörtert eine Theorie, ehe es mit dem Objekt in Kontakt tritt. Und manchmal spricht das Kunstwerk zurück oder sein Schöpfer gibt ein paar Ideen zur Arbeitsweise zum Besten.

David Macaulay / Charlie Galbraith, Coole Kräfte - So arbeiten einfache Maschinen

andreas.markt-huter - 08.07.2016

„Eine schiefe Ebene ist eine schräge Oberfläche. Es ist leichter, sie hinaufzugehen, als an einer Wand hochzuklettern. Der Weg ist zwar weiter, aber nicht so anstrengend.“ (4)

Wie genau funktionieren eigentlich unsere einfachsten Maschinen wie schiefe Ebenen, Hebel, Rad und Achse, Rolle und Seil, Schrauben aber auch komplexere Maschinen wie z.B. ein Fahrrad. „Coole Kräfte – So arbeiten einfache Maschinen“ bietet eine anschauliche Einführung in die Welt der Technik und die Möglichkeit, die theoretischen Ausführungen auch praktisch zu testen.

Serhij Zhadan, Mesopotamien

h.schoenauer - 07.07.2016

Ein gelungenes Cover vermag sinnlich auf das Kernthema eines Buches hinzuweisen. Wenn selbst der Titel „Mesopo / tamien“ in zwei Teile zerlegt ist, vermag man sich schon auszumalen, welche Zerrissenheit einen in diesem Zweistromland erwarten wird.

Serhij Zhadan beschreibt in seinem Zweistromreich den Ablauf der Geschehnisse in ausgerissenen Partikeln. Selbst die literarische Textsorte ist ein Mesopotamien, im ersten Teil gibt es Geschichten und Biographien in Prosaform, im zweiten Teil kommt pure Lyrik zum Vorschein als Erläuterungen und Verallgemeinerungen.

Kirsten Boie, Skogland

andreas.markt-huter - 06.07.2016

„Jetzt, wo sie in diesem Zimmer geschlafen hatte und in diesem Bett aufgewacht war, konnte sie sich auf einmal  liecht vorstellen eine Prinzessin zu sein. »Ich und nicht Tine!«, rief Jarven und hüpfte zurück auf ihr Bett. »Ich und nicht Britt! Ich bin Prinzessin von Skogland!« (83)

Der König von Skogland ist gestorben und seine dreizehnjährige Tochter Malena gilt als seine Nachfolgerin. Bis zu ihrer Volljährigkeit in vier Jahren wird ihr Onkel, Vizekönig Norland die Regierungsgeschäfte für sie leiten. Als Prinzessin Malena kurz nach der Beerdigung plötzlich verschwindet, stehen Norlin und sein wichtigster Berater Bolström vor einem Problem: sie brauchen die Prinzessin, um die Regierungsgeschäfte ohne öffentliches Aufsehen übernehmen zu können. Wie gut, dass es in Norddeutschland ein Mädchen gibt, das der Prinzessin zum Verwechseln ähnlich sieht.

Cornelia Travnicek, mindestens einen der weißen wale

h.schoenauer - 05.07.2016

Gedichtbände haben immer auch ein geheimes Drehbuch unter der Gedicht-Haut mitlaufen, damit sich die poetischen Sporen auch im Wind der Gegenwart verbreiten können.

Cornelia Travnicek verzichtet in ihrem Gedichtband auf ein deklariertes Inhaltsverzeichnis, ihre Gedichte setzen ein wie eine Erzählung und enden in einem umfangreichen Schlussstein, der alles zusammenhält. In einem Bild einer Landschaft werden dem lyrischen Ich wie auf einem Theater-Prospekt einzelne Sequenzen vorgeschoben, die dieses abnickt, bis ein blankes Steinfeld übrig bleibt:

Sebastian Meschenmoser, Gordon and Tapir

andreas.markt-huter - 04.07.2016

„It was a mystery. Where was all the toilet paper? But this time Gordon found a clue. Things could not go on like this. The floor was sticky with fruit. The birds were far to noisy. The living room was like a jungle. And Tapir had not washed his dishes.“

Eines Tages hat der Pinguin Gordon genug von klebrigen Gängen und einem Wohnzimmer, in dem es wie in einem Dschungel aussieht. Seinem Freund Tapir wiederum gehen Gordons ständige Beschwerden und sein Fischmüll auf die Nerven. Was sollen die zwei Freunde, die so widersprüchlich sind, nur machen. Gordon hat eine Idee, die den Tag retten könnte.