Rainer Juriatti, Lachdiebe
Üblicherweise leiden in der Literatur die Helden unter der Zeit, sie werden von ihr aufgefressen, verstoßen oder zur Strecke gebracht.
In Rainer Juriattis Roman „Lachdiebe“ freilich ist es umgekehrt. Da geht der Held so forsch mit seiner Umgebung um, dass sogar die Zeit abhaut. „So floh die Zeit“ heißt jeweils der letzte Satz eines Kapitels.
Am besten lässt sich der sogenannte Sinn des Lebens beschreiben, wenn man alte, gut abgehangene Lebensentwürfe abtastet und mit dem Glanz der öffentlichen Gegenwart vergleicht.
„Ich bin selber schuld, ärgerte sich Leo. Wäre ich doch nur am Strand hocken geblieben. Dann wäre meine einzige Sorge jetzt, ob ich zum Abendessen eine Cola trinken darf oder nicht.“ (28)
In der Literatur gibt es das pathetische Motto: Wenn du eine Nacht extrem hingekriegt hast, hast du vielleicht das ganze Leben hingekriegt.
„Natürlich, das hätte ich mir doch längst denken können, dass Wertolt einen Gefahr für die Drachenfamilie ist! Du weißt ja wohl, Hartwig, dass es heißt, wer in Drachenblut badet, ist von da an unverwundbar sein Leben lang.“ (31)
In allen Kulturen gibt es sagenhafte Sprichwörter des Überlebens. Was im österreichischen Operetten-Sound heißt, „vergiss, was nicht zu ändern ist“, heißt in der Hauptstadtkultur des Iran „Küss die Hand, die du nicht brechen kannst.“
„Und dann war da noch eine Mail ohne Betreff von einem mir fremden Account. Ich las den Text. Zweimal. Danach saß ich etwas verwirrt an meinem Schreibtisch und las ihn ein drittes Mal. >sorry für die schlechte nachricht / aber wenn du aufwachst, wirst du tot sein / wir wollten nur, dass du das weißt / du bist nicht allein / sei mutig und stark<“
Das Umdrehen der Gegebenheiten, das Vertauschen von Standpunkten und das Austauschen von Rollen sind wichtige Maßnahmen in der Literatur, um das sogenannte Selbstverständliche jeweils aus den Angeln zu heben.
„Superman fühlte sich benommen. Sein Rücken schmerzte, und sein Kopf pochte. Er sah zu der roten Sonne hinauf. Ihre Strahlen gaben seinem Körper keine Kraft mehr.“ (27)
Ein guter Tagtraum hat den Vorteil, dass man in ihn phasenweise selbst intellektuell eingreifen kann, um das plastisch-phantastische eines Volltraumes ein wenig zu strukturieren. Die Methode des Tagtraums eignet sich daher in der Literatur vorzüglich zum Darstellen realer Sachverhalte mit einem Schuss Unwahrscheinlichkeit.