„Sie erfinden für mich neue Geschichten. Die bringen wir dann unters Volk, und schon haben wir eine wunderbare Sammlung gruseliger Alltagsepisoden, die absolut wahr sind, weil sie jeder zu kennen glaubt.“ (62)

Moritz Rosendorfer ist ein junger Geschichtenerfinder und träumt von einem Durchbruch als Schriftsteller. Bis dahin verdient er sich sein Geld mit dem Zusammenstellen von Bestellungen im Warenlager eines Homeshopping-Kanals. Daneben tritt er in billigen Bars auf, um seine Geschichten vor Publikum mehr oder weniger erfolglos zum Besten zu geben.

Die Literatur ist oft konkreter als jede Theorie, was liegt also näher, bei der Analyse einer  Epoche neben den historischen Quellen die entsprechende fiktionale Darstellung hinzuzufügen.

Kaum eine Epoche wird in Österreich so verdrängt wie die Zwischenkriegszeit, Zyniker behaupten, weil die Parallelen zur Gegenwart zu eklatant sind. Man denke nur an Korruption, Bankencrash oder die amorphe Bevorzugung der Stände, sei es bei Dolferl (Dollfuß) oder Wolferl (Schüssel).

„Warnungen, Haftungsausschluss, Kleingedrucktes und so weiter. Lies dieses Buch nicht im Stehen. Du könntest vor Schreck umkippen. Lies dieses Buch nicht im Sitzen. Womöglich musst du rechtzeitig die Flucht ergreifen.“ (7)

„Dieses Buch ist vielleicht gar kein Buch“ ist der vierte Band und vorletzte Band der sogenannten Secret-Reihe, in der die jungen Helden Kassandra, genannt Kass, Max-Ernest und Yo-Yoji versuchen, einem großen Geheimnis auf die Spur zu kommen. Standen in den drei vorangegangenen Bänden die Sinne Riechen, Hören und Geschmack im Mittelpunkt basiert der vierte Band auf der Grundlage des Sehens.

„Wie komme ich jemals von hier weg, wenn kein Leser mich begleitet?“ (62)
Wakusch, der Held der fluchtästhetischen Novelle, hat tatsächlich seltsame Sorgen.

Er ist entführt worden oder vom Geheimdienst verhaftet, sitzt als Nachkriegsgefangener am Flughafen Berlin Schönefeld in einer Douglas mit sowjetischen Hoheitszeichen und sieht, wie die Maschine propellert, aber nichts geschieht. Als Buchstabenheld unterliegt er den Gesetzen der Buchstabenwelt: Buchpersonen sterben durch das Nicht-gelesen-Werden.

„Unser Zahlensystem basiert auf zehn Ziffern, richtig? | Klar: 1, 2, 3 … | Halt, Wenn du bei 1 anfängst, endest du mit der 10, aber die ist keine Ziffer, sondern eine zusammengesetzte Zahl. Sie besteht nämlich aus 1 und 0. Die erste Ziffer unseres numerischen Systems ist 0. Sie ist eine Zahl und zeigt eine Quantität an.“ (S. 43)

Wie spannend Mathematik sein kann, zeigt Federico Taddia in seinem Frage- und Antwortspiel mit dem kolumbianischen Mathematiker Bruno D’Amore. Gerade das Thema Mathematik, das wahrscheinlich nicht wenigen Schülerinnen und Schülern mitunter schlaflose Nächte bereitet, zeigt sich hier quasi von seiner menschlichen Seite, mit vielen Antworten, wobei auch der Humor nicht zu kurz kommt.

In der Poesie gilt der Flug als ein eigener Zustand zwischen Wirklichkeit und Traum, weshalb  gerade in der Lyrik oft der Vogelflug als Verbindung zwischen diesen Erlebnissen eingesetzt ist.

Florian Lipus nennt seinen Roman einen Flug, Bostjans Flug, in dem der Held in einem Trance-haften und traumatisierten Zustand durch die Gezeiten gejagt wird.

„Er gefällt mir“, sagte die Wölfin. „Er sieht aus wie ein Nacktfrosch. Darum nenne ich ihn Mogli. Ich werde ihn großziehen wie meinen eigenen Sohn. Er soll in unserem Rudel leben und mit uns auf die Jagd gehen.“ (11)

In den Sioni-Bergen im indischen Dschungel macht sich die Wolfsfamilie Sorgen, weil Schir Khan der Tiger in ihr Revier eingedrungen ist. Dabei befürchten sie, dass die Menschen auf den verletzten Tiger Jagd machen und dabei auch sie vertrieben werden.

Der Teufelszwirn ist eine fadenförmige Schmarotzerpflanze ohne Blätter und Wurzel, die ganze Kleefelder oder Kartoffeläcker aushungert und vertilgt.

Christo Karastojanow stellt seine Trilogie über die politischen Geschehnisse im Bulgarien der frühen 1920er Jahre unter den Schutz dieser höllischen Pflanze, die in ihrem Habitus perfekt an ein schmarotzendes politisches System erinnert, das sich über das Volk her macht. Als es nach dem ersten Weltkrieg so halbwegs wieder geordnet zugeht, stürzt die Ermordung des Premiers Stamboliski 1923 Bulgarien bis in die entlegenste Provinz ins Chaos.

„Die Entscheidung ist für mich klar. Ich verrate niemanden. Ich sage kein Wort. Papa hat sich für den Führer entschieden und ist sein treuer Handlanger geworden. Alles, was er tut, geschieht aus Überzeugung, wie er sagt. Er hat sich gegen mich entschieden, nicht umgekehrt.“ (236)

Paula kommt aus einer durch und durch nationalsozialistischen Familie. Ihr Vater ist seit 1931 Mitglied der NSDAP und als Major der Schutzpolizei für Juden- und Räumungsangelegenheiten in Münster zuständig, wobei er eng mit der Gestapo zusammenarbeitet. Ihre Mutter leitet in der NS-Frauenschaft das Winterhilfswerk. In ihrer Jugend wollte sie nach Abschluss ihres Abiturs gern Ärztin werden. Nachdem ihr das Studium verweigert worden war, konnte sie nur Krankenschwester werden. Paula selbst ist aktiv im BDM tätig, im Bund deutscher Mädels, wo sie es gerade erst zur Schaftführerin gebracht hat.

Eine Hauptaufgabe der Literatur ist es, die Zeitgeschichte in diskussionswürdige Geschichten zu verpacken, um dann die Geschichtsforschung auf den Plan zu rufen.

Rainald Goetz nennt dieses Unterfangen in seinem Roman über den Wirtschaftsboss Johann Holtrop einen Abriss der Gesellschaft, was durchaus doppelsinnig zu verstehen ist als Dekonstruktion und Überblick.