Davide Morosinotto, Die Rebellen von Salento
„An diesem Morgen wusste Paolo noch gar nicht, dass er König werden würde. Woher hätte er das auch wissen sollen? Er war ja nur ein ganz normaler 13-jähriger Junge, nicht besonders groß, mit Haaren, die ständig verstrubbelt waren, und der schlechten Angewohnheit, an seinen Fingernägeln herumzukauen, wenn er angestrengt nachdachte.“ (S. 7)
Paolo lebt mit seiner Familie in der Casa Vulia, einem Gutshaus in Salento, das „ganz unten am Absatz des italienischen Stiefels“ liegt. Die Ferien stehen kurz vor der Tür und er kann es kaum erwarten, endlich frei mit seinen besten Freunden Laerte und Antonio zu Schwimmen, Rad zu fahren und die Feste der Dörfer zu besuchen.
Paolos Familie ist von Geldsorgen geplagt, nachdem sein Vater die Arbeit in der Fensterfabrik verloren hat. Dieser versucht das Gutshaus für die Vermietung an Feriengäste auszubauen. Das fehlende Geld zögert den Umbau jedoch ebenso hinaus, wie der Plan des Bürgermeisters, sich das Haus und das Grundstück für eigene Zwecke unter den Nagel zu reißen.
Während der kränkliche Laerte von seiner Mutter übertrieben bemuttert wird, fürchtet sich der etwas übergewichtige Antonio vor seinem Schulkollegen Mattia Presti und seiner Bande der Bösen, von denen er mit Vorliebe gemobbt wird. Als die Bande vor dem Hoftor auf ihr tägliches Opfer wartet, trauen sich Antonio und Laerte nicht in die Schule zu gehen. Paolo beschließt mit den beiden die Schule zu schwänzen und ihnen stattdessen die alte Hirtenhütte inmitten der Olivenplantage zu zeigen.
In der verfallenen Hütte entdecken sie am Boden eine mit Leder überzogene Kiste in der sich ein altes vergilbtes Papier aus dem Jahr 1861 findet, das an den Gouverneur von Otranto gerichtet ist. Räuberhauptmann Giovanni Rizzo, ein alter Vorfahre Paolos, hat auf dem Grundstück der Familie Rizzo einen eigenen Staat gegründet und sich von der Autorität des neuen Königs aus dem Haus der Sabaudi für unabhängig erklärt.
„Es lebe der Staat der Räuber!“ (S. 33)
Als Paolo von seinem Geschichtelehrer Signor Bambino gedemütigt wird, beschließt er, dass die Kinder nicht länger von den Erwachsenen herumkommandiert und gedemütigt werden dürfen. Angeregt durch seinen alten Vorfahren den Räuberhauptmann Rizzo fasst er den Plan einen eigenen Staat der Kinder zu gründen, in dem die Kinder die Gesetze beschließen und bestimmen. Paolo wird König des neuen Staates und setzt gemeinsam mit Laerte, Antonio, Bea und Elena eine Verfassung für das Reich der Kinder auf.
„Heute ist der 3. Juni und ein großer Tag. Denn wir Kinder haben beschlossen, und gegen die Herrschaft der Erwachsenen aufzulehnen und ihnen zu zeigen, dass wir sehr gut allein zurechtkommen.“ (S. 70)
Trotz der gezielten Werbung durch Bea und Elena im Internet sind alle überrascht, wie schnell sich die Staatsgründung unter den Jugendlichen der näheren und weiteren Umgebung verbreitet. Doch der Bürgermeister des Ortes ist von der Entwicklung auf dem Landgut der Rizzos alles andere als begeistert.
Davide Morosinotto erzählt eine spannende Geschichte vom Aufstand der Kinder, die nicht länger bereit sind, sich von den Erwachsenen gängeln und befehlen zu lassen. Sie beschließen ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und erfahren dabei, wie Zusammenhalt Macht verleiht, sich auch gegen Stärkere durchzusetzen.
Ein überaus erfrischender Roman, in dem von Anfang an die besondere Atmosphäre Süditaliens zu spüren ist. Neben starken Charakteren, einer packenden Geschichte und einer angenehmen Sprache überzeugt der Roman durch viel Fantasie und Humor. Ein schönes Leseerlebnis, das alle jungen Leserinnen und Leser zum Eintauchen in eine abenteuerliche Welt einlädt.
Davide Morosinotto, Die Rebellen von Salento. Ill. v. Timo Kümmel / Icacopo Bruno, übers. v. Cornelia Panzacchi [Orig. Titel: Il libero regno dei ragazzi], ab 10 Jahren
Stuttgart: Thienemann Verlag 2021, 288 Seiten, 15,50 €, ISBN 978-3-522-18537-0
Weiterführende Links:
Thienemann Verlag: Davide Morosinotto, Die Rebellen von Salento
Wikipedia: Davide Morosinotto (ital.) .
Andreas Markt-Huter, 16-02-2022