Zoran Drvenkar, Licht und Schatten
„Mein Name ist Aren und meine Geschichte ist deine Geschichte ist unsere Geschichte. Sie ist der ewige Kampf des Guten gegen das Böse. Du kennst diesen Kampf, du hast ihn am eigenen Leib erfahren. Die hellen und dunklen Tage – das Glück, das dich tanzen lässt, und den Schmerz, der dich in die Knie zwingt. Der ewige Kampf kennt keine Ruhe.“ (S. 7)
Der Tod sitzt als Habicht auf den Wipfeln einer Kiefer und wartet, als Vida an einem eiskalten Wintertag im kleinen russischen Dorf Warrosch im Jahr 1704 geboren wird. Sie ahnt nichts von dem außergewöhnlichen Leben, das ihr bevorstehen wird und sie mitten in den ewigen Kampf zwischen dem Licht und der Dunkelheit stellen wird.
Vida, wächst zunächst allein bei ihrem Vater Solomon auf, nachdem ihre Mutter Yrma die Geburt ihrer Tochter nicht überlebt hat. Bald schon ziehen ihre drei mysteriösen Tanten Riva, Asha und Eka aus St. Peterburg zu ihrer Nichte, um sie zu unterrichten und langsam auf ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten und ihre Aufgabe vorzubereiten, für die Yrma ihr Leben geopfert hat. Wie ihre Mutter kann Vida die verirrten Toten sehen und sprechen hören und ihnen den Weg ins Licht weisen.
Vida entwickelt eine besondere Beziehung zu Tieren und rettet ein Bärenjunges, das von Wölfen angegriffen wird und fortan mit dem neunjährigen Mädchen verbunden ist. Als sie eines Tages eine Stimme rufen hört, der sie hofft, dass es die Stimme ihrer Mutter sei, trifft sie auf einen mongolischen Soldaten aus der Armee des Dschingis Khan, der nicht wusste, dass er bereits Jahrhunderten tot war. Vida öffnet dem Soldaten einfühlsam aber doch bestimmt die Augen über seinen wahren Zustand.
Und dann nahm sie den Soldaten an der Hand und führte ihn ins Licht. Und so kam es, dass sie auf ihren ersten Toten traf. (S. 65)
Ein wenig später trifft Vida auf einen im Geäst gefangen Raben, der sprechen kann und sie gesucht hat, um ihr die Zukunft zu zeigen. Durch einen Irrtum trifft er sechzehn Jahre zu früh auf das Mädchen. Da er nicht lügen kann, offenbart er ihr, wie versprochen die Zukunft, aber in sumerischer Sprache, damit sie ihre Bestimmung nicht zu früh weiß.
Die Begegnung der beiden weckt Iskar, den Wächter, der seit drei Millionen Jahren im Körper verschiedenster Menschen auf die Ankunft des Mädchens gewartet hat. Endlich kann er sich auf die Suche nach ihr machen. Als Vida von ihrem Ausflug nach Hause kommt, haben ihre drei Tanten ihr viel zu berichten, davon, wer sie wirklich sind, wer ihre Mutter war und über Vidas große Aufgabe: die Rettung der Welt. Früher als erhofft, müssen die Tanten Vida auf den großen Kampf zwischen den Mächten des Lichts und der Dunkelheit vorbereiten.
Zoran Drvenkars Jugendbuch „Licht und Schatten“ ist ein außergewöhnlicher Roman, der die Grenzen zahlreicher Genres überschreitet. Er verbindet Elemente des Entwicklungsromans mit Fantasy-Elementen und Science-Fiction und breitet auf der Grundlage eines gnostischen Gegensatzes zwischen Licht und Finsternis seine Geschichte auf betont literarische Weise aus. An die Vertreibung aus dem Paradies und die Geschichte von Kain und Abel erinnern die Ursache für den großen Kampf zwischen den Gegensätzen. Am Anfang steht die Eifersucht.
„Licht und Schatten“ ist ein überaus komplexer Roman, der von seinen Leserinnen und Lesern einiges verlangt. Bedächtig und mit einer Fülle an Details führt Drvenkar die Leserinnen und Leser in die Geschichte ein und macht sie mit den zahlreichen Protagonisten und Rahmenhandlungen vertraut. Nachdem das Geheimnis der Heldin gelüftet ist, wird das Tempo der Handlung bis zu einem fulminanten Finale erhöht.
Ein überaus empfehlenswerter und außergewöhnlicher Roman, der mit seiner poetischen Sprache und spannenden Erzählweise lange nachwirkt und nicht nur jugendliche Leserinnen und Leser in seinen Bann zu ziehen vermag.
Zoran Drvenkar, Licht und Schatten. Ab 14 Jahren
Weinheim: Beltz & Gelberg Verlag 2019, 584 Seiten, 20,60 €, ISBN 978-3-407-75462-2
Weiterführende Links:
Beltz & Gelberg: Zoran Drvenkar, Licht und Schatten
Wikipedia: Zoran Drvenkar
Andreas Markt-Huter, 08-11-2019