Susan Fletcher, Die Reise des weißen Bären
„»Wir brechen am Morgen nach London auf«, sagte der Doktor. »Wenn du mitkommst und dich bis zur Ankunft um die Bärin kümmerst, gebe ich dir, was du begehrst, sofern es in meiner Macht steht.«“ (S. 37)
Nachdem Arthur einen Brief der Verwandtschaft seines verstorbenen Vaters erreicht hat, ergreift er vor den Schlägen seines Stiefvaters und der Unterdrückung seiner Stiefbrüder die Flucht, um sich auf den Weg zu seinen Verwandten nach Wales zu machen. Er ahnt nicht, welche abenteuerliche Reise ihn dabei erwartet.
Nachdem Arthur ausgeraubt wurde und seit Tagen nichts mehr gegessen hat, stielt er in einem Hafengasthaus dem jungen Seemann Hauk einen Hasenbraten. Nach einer wilden Flucht durch die engen Gassen wird Arthur erwischt und von Hauk in einen Käfig mit einem riesigen Eisbären geworfen. Nur knapp gelingt es Arthur mit Hilfe des königlichen Doktors der Gefahr zu entkommen. Dieser erkennt, dass Arthur einen beruhigenden Einfluss auf die Eisbärin ausübt und überredet ihn, die Bärin auf der Reise von Norwegen zum König nach England zu begleiten.
Trotz seiner Angst vor dem wilden Tier ergreift Arthur die Chance, um von London aus seine Familie in Wales zu erreichen. Aber auch Hauk, der Schiffsjunge befindet sich an Bord und nutzt jede Gelegenheit, um sich für den Diebstahl des Essens zu rächen und den Brief der Verwandten an Arthur zu stehlen. Als Piraten das Schiff Piraten, wird der Tierkäfig beschädigt und die Bärin kommt frei. Arthur wird damit beauftragt, das wilde und schwer verletzte Tier wieder zurück in den Käfig zu bringen.
Auf außergewöhnliche Weise entsteht eine enge Beziehung zwischen dem Jungen und der Eisbärin. Als das von den Piraten beschädigte Schiff in einen Sturm gerät und aufläuft werden Arthur und die Eisbärin ins offene Meer getragen, wo der Junge zu ertrinken droht.
Hintergrund des Kinderromans „Die Reise des weißen Bären“ bildet die berühmte Menagerie im Tower von London, in dem zur Zeit König Heinrichs III. ein Eisbär als Geschenk des norwegischen Königs gehalten worden war. Susan Fletcher erzählt dabei in einem Rückblick die Geschichte einer wunderbaren Freundschaft zwischen dem jungen Arthur und einem einsamen, aus seiner natürlichen Lebenswelt entrissenen Bären, die beide ihre große Sehnsucht nach Freiheit verbindet. Übrigens lässt sich eine Skulptur des weißen Bären heute noch im Tower of London besichtigen und erahnen, welch gewaltigen Eindruck das große Tier auf die damalige Zeit gemacht haben muss.
Ein überaus spannender Roman für Kinder und Jugendliche, der die jungen Leserinnen und Leser von Anfang an in die Welt zweier Außenseiter vor einer mittelalterlichen Kulisse zu ziehen vermag und von einer tiefen Freundschaft zwischen Mensch und Tier erzählt.
Susan Fletcher, Die Reise des weißen Bären. Übers. v. Bettina Münch [Orig. Titel: Journey of the Pale Bear], ab 10 Jahren
Zürich: Woow Books Verlag 2019, 320 Seiten, 16,50 €, ISBN 978-3-96177-031-1
Weiterführende Links:
Woow Books Verlag: Susan Fletcher, Die Reise des weißen Bären
Homepage: Susan Fletcher (engl.)
Andreas Markt-Huter, 01-04-2020