Carissa Broadbent, The Serpent and the Wings of Night
„Damals ahnte der König noch nicht, dass seine größte Liebe sein Untergang sein würde – auch nicht, dass beides in Gestalt eines kleinen hilflosen Menschenkindes in Erscheinung treten würde. Wie ein Häufchen Elend lag sie verlassen in all der Verwüstung da, die einzige Sterbliche im Umkreis von 100 Meilen, die noch lebte.“ (S. 7)
Bei einem grausamen Überfall der Rishan-Vampire auf eine Menschensiedlung bleibt nur ein kleines Mädchen am Leben, das von Vincent, dem Hiaj-König der Nachtgeborenen, in seine Obhut genommen und adoptiert wird. Er gibt ihr den Namen Oraya und lehrt sie, wie sie in der Welt der Vampire, in der sie von allen als potentielle Beute betrachtet wird, überleben kann.
Oraya schleicht sich immer wieder heimlich aus Sivrinaj, dem königlichen Territorium der Nachtgeborenen, um durch die Gassen der Menschen in den Rishanbezirken zu schleichen und Vampire auf der Jagd nach Menschen zur Strecke zu bringen. Danach besucht sie regelmäßig Ilana, ihre einzige menschliche Freundin Orayas, ohne dass ihr Adoptivvater, der König davon weiß.
Oraya weiß, dass sie nur durch die Nähe zu Vincent noch am Leben und ständig von allen Seiten durch die Vampire bedroht ist. Ihr menschlicher Geruch, aber ganz besonders, wenn sie aus Wunden blutet, lässt die Vampire jede Zurückhaltung verlieren und in Rage geraten.
Zwanzig Jahre später versucht Vincent sein Adoptivkind Oraya auf Keiari vorzubereiten, ein tödliches Turnier, das zu Ehren der Göttin Nyaxia, der Mutter aller Vampire, jedes Jahrhundert veranstaltet wird. Am Turnier nehmen die stärksten Krieger aller drei Häuser aus Obitraes teil: dem Haus der Nacht, dem Haus des Schattens und dem Haus des Blutes. In diesem Kampf auf Leben und Tod wird es am Ende nur einen Überlebenden geben.
Wie Vincent zweihundert Jahre zuvor soll es Oraya als erster Mensch gelingen, den Wettstreit zu gewinnen. Als Siegerin würde ihr Wunsch, Vincents Coriatae, seine Herzgebundene zu werden, in Erfüllung gehen.
Damit würde ich meine Menschlichkeit abstreifen und zu einem Vampir werden, ohne die Risiken einer Wandlung … (S. 48)
Vincent trichtert Oraya ein, niemandem ihrer Gegner, mit denen sie zum Teil zusammenarbeiten wird müssen, zu vertrauen. Bald nach der Eröffnungsveranstaltung, bei dem die Teilnehmer aller Häuser am Wettkampf vorgestellt worden sind, beginnt das Kejari mit einem Schrecken für Oraya, als sie ihre Freundin Ilana tot auffinden muss. Dabei lernt sie den attraktiven und mächtigen Rishan-Vampir Raihn kennen, der mit seiner Freundin Mische am Turnier teilnimmt. Zerrissen zwischen existenziellem Misstrauen und notwendiger Kooperation sieht sich Oraya einem tödlichen Turnier ausgeliefert, in dem es um weit mehr gehen wird, als sie sich bewusst ist.
Carissa Broadbent leitet nach dem Hype um „Twilight“ eine neue Ära der Vampir-Fantasy-Romane ein, die sich weit mehr an die Welt der High-Fantasy orientiert und einen epischen Krieg um die Herrschaft zwischen verschiedenen Königshäusern ins Zentrum stellt. Dabei entwickelt sich ein kleines unscheinbares Mädchen in der blutrünstigen und mächtigen Welt der Vampire zur zentralen Heldin in einem dunklen Kampf um die Macht.
Ein ebenso spannend erzählter wie facettenreicher Auftakt einer Fantasy-Reihe, in der die Leserinnen Leser in eine komplexe und beeindruckende Welt der Vampire und Menschen entführt und Liebe, Vertrauen und Hilfsbereitschaft auf eine tödliche Probe gestellt werden. Die starken und komplex gezeichneten Charaktere und ein gefährliches grausames Umfeld machen den Roman für junge Erwachsene zu einem aufregenden und fesselnden Leseabenteuer.
Carissa Broadbent, The Serpent and the Wings of Night. Aus der Reihe: Crowns of Nyaxia, Bd. 1, übers. v. Heike Holtsch / Kristina Flemm [The Serpent and the Wings of Night – Crowns of Nyaxia 1], ab 16 Jahren
Hamburg: Carlsen Verlag 2024, 544 Seiten, 18,50 €, ISBN 978-3-551-58551-6
Weiterführende Links:
Carlsen Verlag: Carissa Broadbent, The Serpent and the Wings of Night
Homepage: Carissa Broadbent (engl.)
Homepage: Heike Holtsch
Homepage: Kristina Flemm
Andreas Markt-Huter, 24-06-2024