„Henry Morgenthau, der amerikanische Botschafter in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, telegrafierte am Abend des 31. Juli 1915 an das State Department in Washington: «Dr. Lepsius (…) hat aus verlässlicher Quelle erfahren, dass Armenier, zumeist Frauen und Kinder, deportiert aus dem Erzurum-Gebiet nahe Kemah zwischen Erzincan und Harput massakriert worden sind.»“ (7)

Der Völkermord an den Armeniern, dem der österreichische Schriftsteller mit seinem monumentalen Werk „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ jährt sich bereits zum 100. mal und immer noch sorgt das Verbrechen für diplomatische Spannungen zwischen der Türkei und anderen Ländern. Der Kulturhistoriker Rolf Hosfeld zeichnet in seinem Buch „Tod in der Wüste“ akribisch das Umfeld, die Vorgeschichte und die Umsetzung des Völkermordes zwischen 1915 bis 1916 nach, bei dem mehr als 1,5 Millionen Menschen auf grausame Weise um ihr Leben gekommen sind.

Ein Nomadensprichwort sagt, du musst aus der Stadt fortziehen, um sie zu sehen.
Thomas Weyr haben die Nazis zur Emigration gezwungen, sein Blick auf die Heimatstadt Wien ist ein ungewolltes Ergebnis eines zwangsweisen Perspektivenwechsels, die Stadt hat seither immer einen fernen Klang für ihn.

Die ferne Stadt trägt zwar die schlichte Bezeichnung Erinnerungen, sie ist aber durchaus als kunstvoller Roman aufzufassen. Das hat damit zu tun, dass das erzählende Ich als Journalist ständig ein scharfes Auge auf die Dinge wirft, die Vorfälle werden nicht nur beschrieben, sondern auch analysiert. Der Erzähler bedient sich als Ergänzung und Korrektiv der Schriften seines Vaters, der ebenfalls als Journalist die Zeitgeschichte hautnah kommentiert. So wird die persönliche Geschichte in selten öffentlicher Form mit dem allgemeinen Zeitenlauf verstrickt.

Seit die österreichischen Krimis nahezu genormt und uniform geschrieben und publiziert werden, empfindet man es geradezu als Sensation, wenn eine Krimiserie an ihr Ende kommt und sich noch dazu weiterentwickelt.

Dietmar Wachter schickt am Ende des letzten Falles „Das Mädchen Dori“ seinen bewährten Inspektor Matteo in den Ruhestand. Normalerweise darf das Ende eines Krimis nicht verraten werden, wenn es sich aber um eine flächendeckende Frohbotschaft handelt, muss sie zitiert werden. „Dann zwölf Schläge. Mitternacht. / Ich bin in Pension. / Endlich!“ (291)

Ereignisse, die „jenseits“ spielen, erwecken wie von selbst Neugierde, Mitgefühl und Sehnsucht. Wer ist nicht hingerissen von Filmen wie Jenseits von Afrika oder Büchern wie Jenseits von Eden oder Jenseits von Gut und Böse.

Thomas Schafferer gelingt mit Jenseits von Luxemburg ein erzählstrategischer Coup. Dadurch, dass fast nichts auf dem Kontinent in Luxemburg spielt, spielt automatisch fast alles „jenseits von Luxemburg“. Diese Fügung ist nur zum Teil geographisch gemeint, in der Hauptsache geht es um ein Gefühl, das an einem bestimmten Ort ausgelöst wird und sich nicht mehr einfangen lässt.

„Diese Suche auf den Spuren des Heidnischen im abendländischen Christentum hatte mit einem geheimnisvollen Gemälde von Nicolas Poussin begonnen, auf dem eine rätselhafte Begräbnisstätte abgebildet war.“ (11)

Ausgehend von einem berühmten Gemälde des französischen Barockmalers Nicolas Poussin mit dem unscheinbaren Titel „Die Hirten von Arkadien“ und der mysteriösen Grabinschrift „Et in Arcadia ego“ geht der Autor den zahlreichen im Bild versteckten Hinweisen auf eine längst verloren geglaubte antike Glaubens- und Vorstellungswelt nach, die bis in die Welt der griechischen, ägyptischen und mesopotamischen Mythologie und Religion zurückreichen und mit dem Siegeszug des Christentums im Laufe der Jahrhunderte verdrängt, verboten oder assimiliert worden waren.

Die späten Jahre verbringt ein denkender Mensch vielleicht am besten damit, dass er sein Leben immer wieder aufs Neue erzählt. So wird der sogenannte Lebenslauf jedes Jahr anders, wie auch ein Feld je nach Fruchtfolge ständig etwas anderes aus sich wachsen lässt.

Engelbert Obernosterer beginnt seinen „Kampf mit dem Engel“ mit dem aufregend routinierten Anwerfen eines Tages. Gerade in einer entlegenen Gegend wie dem Gailtal ist scheinbar jeden Tag nichts los, aber noch ehe der Kaffee durch den Filter geronnen ist, springt einen schon das Leben mit mannigfaltigen Eindrücken an. Wo nichts Digitales an Empfindungen vorgeschaltet ist, ist das Leben nämlich sinnlich, haptisch und voller Gerüche.

Gewisse Kunsttechniken sind so knapp an die Seele herangeschneidert, dass sie in mehreren Kunstgattungen auftreten können und dabei jeweils die Psyche der Protagonisten oder die Melodie der Seele zum Klingen bringen.

Martin Mumelter ist Musiker und für ihn hat es mit dem Titel „Spiegelfuge“ wahrscheinlich etwas höchst Musikalisch-Mathematisches auf sich. Man ist an den Thomas Bernhardschen Kosmos erinnert, worin die Figuren stets eine eigene Musik im Kopf haben, sich in sich selbst zurück ziehen und als Ganzes zum Schwingen bringen. Fuge und Spiegel sind zutiefst musikalische Begriffe.

Für Soziologen und Geografen ist das Tal etwas vom schönsten, was einem als Wissenschaftler passieren kann. Ein Tal ist ordentlich im Gelände eingegraben, es gibt ein Oben und Unten, die Entfernungen sind überschaubar, die Soziotope innig.

Willi Pechtl rückt dieser scheinbaren Ordnung des Pitztals mit einer kreativen Chaos-Methode zu Leibe, er nennt es längs und quer, wie sonst die Muskelfasern bei Säugetieren und Menschen bezeichnet werden. Die Hauptquellen für das „Porträt“ des Tales als Lebensraum sind Erzählungen und Bilder.

Wenn ein Meister erzählt, unterscheiden sich diese Kunstwerke äußerlich, thematisch oder strukturell kaum von anderen Erzählungen, die als gewöhnlich gelten. Aber untrügliches Zeichen der Meisterschaft ist immer jenes kaum hörbare Ticken, das sich oft erst nach Tagen im Corpus der Leserschaft entfaltet.

Michael Krüger entlässt seine Erzählungen unspektakulär und leise, wie man vielleicht Fische in tiefes Wasser aussetzt. Seine Erzählpunkte sind immer Aussichtswarten, von denen man auf der einen Seite auf ein reifes Leben zurückblickt und auf der anderen Seite auf ein weites Feld ohne Fixpunkte der Gewissheit Ausschau hält.

Wenn die Sinnesorgane auf Verbrechen eingestellt sind, entdecken sie überall und in den idyllischsten Lagen jenen Rauch, der bei Verbrechen gerne aufsteigt.

Reinhard Kleindl ist mit seinem Krimi-Helden Baumgartner literarisch raffiniert unterwegs. Dadurch, dass Baumgarnter wie alle österreichischen Beamten vom Hocken sehr müde und derangiert ist, braucht er nur die halbe Zeit im Einsatz zu sein. Auch im neuen Krimi kommt er erst in der zweiten Ermittlungshalbzeit zu seinem Auftritt, völlig von Tabletten niedergerungen und auch sonst nur bei losem Verstand.