Buch-CoverWas für ein Titel! - Geheimnis. Sofort fragt man sich, wer hat ein Geheimnis, worin besteht es und wo liegt es?

Wie immer bei Juri Andruchowytsch liegt das Geheimnis vor der Nase. Als einmal Autor und Interviewer an der Neuen Synagoge vorbei gehen, erkundigt sich der Fragensteller nach dem Titel des Neuen Romans. Der Autor antwortet: "Geheimnis. Lass uns über etwas anderes reden!" (339)

Buch-CoverIm Volksmund gibt es das gnadenlos genaue Wort vom ?Hirnwixen, wenn ein etwas unrunder Zustand zwischen Körper und Geist dargestellt werden soll.

Der Roman Milas Methode handelt von diesem Wechselspiel zwischen reinem Denken und purem Überleben. In eine Art Thesen-Roman schickt die Autorin Lydie Salvayre einen Ich-Erzähler in den Text, und dieser Held spinnt ordentlich.

Buch-Cover

Du kannst mich mal kreuzweise! - Diese Fügung bedeutet allgemein, dass jemand von einer Sache oder Person ziemlich genug hat.

Blixa Bargeld verwendet diesen satten Begriff "kreuzweise", um einerseits die Abgeklärtheit gegenüber Europa als Geographie auszudrücken und andererseits zu erzählen, dass er jeden Winkel des Kontinents irgendwann einmal aufgesucht hat.

Buch-CoverVielleicht ist die Poesie das Rauschen zwischen den Begriffen, von denen unerwartete Botschaften ins Zeileninnere ausgesendet werden. Vielleicht ist der Wahnsinn eine Abschweifung der Poesie, wenn Begriffe aus den Zeilen fallen.

Das poetische Ich steht in Peter Enzingers Prosagedicht jedenfalls gehörig unter Phantasie-Strom. Von der Dichtung gezeichnet, knapp am Absinth-Delirium, von der Sinnsuche entstellt kämpft sich das Ich durch die eigene Dichtung.

buchcoverManche Literatur geht fließend in Musik über. Für diese Anlässe hat der Mandelbaum Verlag seine Serie "Bibliothek der Töne" aufgelegt.

Franz Kafkas Gruftwächter ist so ein musikalischer Text, der uns ergriffen macht, noch ehe wir wissen warum. Der Akkordeon-Komponist Otto Lechner legt gleich zu Beginn mit der Kaiserhymne los, Vergänglichkeit, Herbst, Zeitlosigkeit tauchen auf.

Buch-CoverSeitensprünge führen im Idealfall in Erlebniszonen, zu denen das emotional stabile Establishment oft keinen Zutritt hat. In der Literatur braucht es diese Seitensprünge jedoch, um periphere Raritäten zu entdecken.

Manfred Peters stellt in seinem Reader Literatur aus deutschsprachigen Minderheiten zusammen, dabei verknüpft er Texte aus Belgien, Ungarn und Südtirol.

Buch-CoverAn der Germanistik läuft seit Jahrzehnten jener Fach-Witz, wonach ein Professor seltsame Fügungen zur Prüfung gibt und der einzige, der die Klausur positiv abschließt, ist ein Ausländer, der soeben mühselig die deutsche Sprache gelernt hat.

Ein bisschen ist man an diese Prüfungssituation erinnert, wenn Angelika Mayr-Gehler aus der Ferne von Hildesheim ihre Südtiroler Mundart vorträgt. Streng aus der Erinnerung wird das Südtirolerische in jener Form zum Klingen gebracht, wie man es sich aus der Entfernung vorstellt.

Buch-CoverWahrscheinlich die eleganteste Verhöhnungsformel im Literaturbetrieb nennt sich "Für reife Leser". Darin wird unterschwellig suggeriert, dass ein bestimmtes Buch eigentlich nur von Lesevolltrotteln oder Lesekomikern rezipiert werden kann.

Kurt Bracharz greift diese freche Empfehlungsformel über die Zumutbarkeit von Literatur mit Genuss auf und überschreibt damit sein Lektüreprojekt.

Buch-CoverNach dem zweiten Weltkrieg hat sich offenbar halb Europa auf den Weg gemacht, um in Argentinien das Heil zu suchen. Großvater ist auch dabei, alles was man darüber weiß, lässt sich vielleicht in verschmitzten klaren Sätzen zusammenfassen.

Klaus Merz erzählt in seiner wundersam romantischen Novelle von einem Großvater, von dem letztlich nur ein kompaktes Außengerüst eines gelungenen Lebens übrigbleibt.

Buch-CoverAn den Inuit bewundern wir vor allem ihre Sprachgewalt, dass sie für das eine Ding, das wir mehr oder weniger von der Zivilisation eingekokst Schnee nennen, einige Dutzend Begriffe haben. Ähnlich ergeht es vielleicht einem Autor.

Was wir Leser auf den ersten Blick harmlos Prosa nennen, dafür hat ein Sprachkompetenter Kreator allerhand Begriffe. Markus Köhle etwa nennt seine frische Prosa Burchharsch, und darin sind die Erzählsorten aufgefädelt: Firn, Harsch und Sulz.