Beziehung

Ilse Kilic / Fritz Widhalm, Manchmal ist es aufregend, zu aufregend sogar

h.schoenauer - 04.06.2025

Ilse Kilic / Fritz Widhalm, Manchmal ist es aufregend, zu aufregend sogarDer Verwicklungsroman ist kein bloßes Tagebuch, sondern eine „Lebenscollage“. ‒ Mittlerweile in vierzehn Bänden ausgeführt, lässt sich daraus ein einmaliges Kaleidoskop von Leben, Lesen, Schreiben und Lieben aufspannen.

Ilse Kilic und Fritz Widhalm haben sich vor Jahren mit Jana und Naz zwei literarische Komplementär-Identitäten zurechtgelegt, dadurch können sie in der sogenannten Wirklichkeit und der fiktionalen Ergänzungswelt gleichermaßen agieren. In entscheidenden Momenten treten sie dann auch als Quartett auf, was besonders bei Ereignissen rund um die Liebe aufwühlend wird, wenn die Personen und Figuren quer durch das Geheimnis von Liebe, Romantik, Lebensplan und Realismus pflügen.

Valerie Fritsch, Zitronen

h.schoenauer - 27.05.2025

Valerie Fritsch, ZitronenDas Dorf war so klein, dass man den Kindern auftrug, auf der Straße alle Männer zu grüßen, weil man nie wissen konnte, wer der Vater war.

Valerie Fritsch rollt mit einem einzigen Satz die Soziokultur eines Dorfes auf, halb ist der Kommentar im Stil grotesk, halb fotografisch nüchtern wie eine Dokumentation. Diese zwiefältige Beschreibungsmethode ist auch notwendig, denn es geht um ein weitverbreitetes Phänomen: das Münchhausen-Syndrom. Dieses umfasst landläufig die Lust zur Übertreibung, im psychologischen Sinn werden beim Münchhausen Stellvertreter-Syndrom Symptome einer körperlichen oder psychischen Erkrankung bei einer anderen Person vorgetäuscht oder verursacht.

Jörg Zemmler, leihworte

h.schoenauer - 26.05.2025

Jörg Zemmler, leihworteDie fundamentalste Art, die Literaturbühne zu betreten, besteht im Auftauchen als Manifest. Vor knapp einem Vierteljahrhundert ist Jörg Zemmler mit einem Manifest an die Öffentlichkeit getreten, das auf den Leihcharakter der Literatur hinweist. „Leihworte“ zeigen unter anderem, was wir uns von unseren Vorgängern abschauen und ausleihen können. Ein verlässlicher Zugang ist dabei oft die Paradoxie. „Multimedialität entsteht aus electronic meets lyric, Prosa meets Bild und Sprache meets Text. Fragen Sie Schwitters K. und Cage J., weshalb.“ (Jörg Zemmler)

Die Neuauflage dieser Leihworte ist aktuell und zeitlos, weshalb auch Teile Originalrezension aus 2004 geeignet sind, dieses Werk abermals zu beschreiben und zu würdigen.

Siljarosa Schletterer, entschämungen

h.schoenauer - 21.05.2025

Siljarosa Schletterer, entschämungenLyrik ist niemals eine Gebrauchsanweisung für etwas Bestimmtes, aber sie hilft, den Gebrauch der Wörter zu überdenken.

Siljarosa Schletterer überschreibt ihren Gedichtband mit „entschämungen“ und nennt diesen Vorgang eine Körperkantate. Damit sind die Gedichte in ihren Kernzonen aufgesucht, es geht um Körper, Resonanzkörper, Klangkörper und alle damit musikalisch zum Schwingen gebrachten Bedeutungen. Es geht aber auch um diverse Körperteile, die von Scham überklebt sind oder in einem völlig verunsicherten Bedeutungsfeld vor sich hinwirken.

Konstantin Kaiser, Ausgedehnte Gegenwart

h.schoenauer - 16.05.2025

Konstantin Kaiser, Ausgedehnte GegenwartManchmal kommt man als Künstler oder Wissenschaftler ganz woanders heraus, als man seine Karriere gestartet hat. Die wahren Lebensaufträge lassen sich nämlich nicht planen, sondern nur abarbeiten bis zum abgerundeten Ende.

Konstantin Kaiser ist während seiner Forschungen und Aufschreibungen auf Theodor Kramer (1897-1958) gestoßen und quasi zu seinem Wiedergänger geworden. Das wird rundherum als Kompliment gehandelt, denn über die Theodor Kramer Gesellschaft, deren Sekretär er lange war, ist Konstantin Kaiser wichtigster Interpret und Aufbereiter jener Literatur geworden, die man in Österreich gemeinhin als Literatur des Exils und Widerstands subsumiert.

Friedrich Hahn, Enden ohne Ende

h.schoenauer - 14.05.2025

Friedrich Hahn, Enden ohne EndeDie Komödie ist die adäquate Lebensform für das Alter. Wer bis in den Herbst des Lebens vorgedrungen ist, hat dies meist jener Kraft zu verdanken, die einen die Umtriebe des Alltags gelassen sehen lässt. Im Idealfall füttert der komödiantische Stoff die Selbstironie des Betrachters.

Friedrich Hahn fädelt das Leben seines Ich-Helden von hinten her auf. Sein Erzählstrang franst aus und es entstehen diverse Fasern, die in Enden ohne Ende münden.

Dietmar Füssel, Mord und Brand im Mondseeland

h.schoenauer - 12.05.2025

Dietmar Füssel, Mord und Brand im MondseelandEin Krimi braucht ein einmaliges Ereignis, das ihn nach der Lektüre unvergessen macht. Wenn auf einem ländlichen Polizeiposten der ermittelnde Beamte „autosexuell“ ist, wird man diese Eigenschaft nie vergessen, zumal sich jeder etwas anderes darunter vorstellt.

Dietmar Füssel ist bekannt für seinen grotesken Ansatz, die Welt zu betrachten. Seine Helden tauchen dort auf, wo man sie nicht erwartet, also meist in der konturlosen Arbeitswelt. So dient ihm das Genre Krimi vor allem dazu, den zähen Beruf von Beamteten am flachen Land zu durchforsten. Autosexualität ist also als eine Art unauffälliges Überlebenstraining zu verstehen.

Urs Faes, Sommerschatten

h.schoenauer - 09.05.2025

Urs Faes, SommerschattenAnwesenheit ist wahrscheinlich die letzte Jahreszeit, die einem im Leben beschert ist. Alle bisherigen Lebensabschnitte sind verschwommen und selbst für die Erinnerung nur mehr als Schatten wahrnehmbar. Die Sommerschatten legen sich allmählich über das betagte Leben und dimmen die Lichtquellen.

Urs Faes „Sommerschatten“ ist ein kleiner Dimm-Roman, worin über ein spätes Glück Bilanz gezogen wird, das sich als Schlussteil eines fragilen Beziehungsbogens spät eingefunden hat. Dem Ich-Erzähler ist eine Beziehung mit der Cellistin Ina widerfahren.

Martin Dragosits – Podium Porträt 131

h.schoenauer - 07.05.2025

Martin Dragosits, Podium Porträt 131Gedichte sind wie seltene Erden, hoch gefragt, aber schwer zu schürfen. Es bedarf freundschaftlicher Unterstützung, um als Leser zu jener Rarität vorzudringen, die uns oft nur für wenige Augenblicke berührt.

Ein Werkzeug zum Schürfen dieser Gedichte ist die Serie „Podium Porträt“. Dabei wird im bewährten Postkartenformat das lyrische Werk von Zeit-Genießenden vorgestellt, die dabei Gedichte oder Kurzprosa verfassen. Denn die Zeit wird in diesen Sphären in Vers-Einheiten oder Gedankenschüben gemessen, meist ist es fünf vor zwölf, manchmal auch schon etwas später.

Miriam Unterthiner, Blutbrot

h.schoenauer - 30.04.2025

Miriam Unterthiner, BlutbrotWie ein Fisch ständig Wasser im Mund hat, um zu überleben, hat der Mensch am Lande Brot im Mund, und wenn um das tägliche Brot gekämpft wird, entsteht das Blutbrot.

Miriam Unterthiner stellt mit dem Genre Theatertext beiden Publikumsschichten eine aufrüttelnde Story in Aussicht. Einmal sind es die Theater-Affinen, die vielleicht in den Genuss eines Releases kommen, zum anderen sind es Lesende, die sich die Geschichte selbst ausmalen können. Der Plot handelt von der „Rattenlinie“, als Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg quer durch Südtirol unterwegs waren, teils geschützt von den Bodenständigen, um wie Mengele das Endziel Argentinien zu erreichen.