Belletristik und Sachbücher

Robert Bober, Was gibt’s Neues vom Krieg?

h.schoenauer - 13.09.2012

Die ersten Worte, die nach einem Unglück von den Überlebenden ausgestoßen werden, klingen für sich genommen immer sinnlos und wirken grotesk. Was erst sollen Überlebende sagen, die als Juden in Paris gerade den Krieg, die Nazis und die Vernichtung überlebt haben?

In einer Schneiderei für Damen-Nachkriegsmode in Paris kommt allmählich das Leben wieder in Gang. Manche haben schon Geld für eine Maßanfertigung, über gute Kanäle kommen auch schon wieder Stoffe in die Werkstatt, die Kinder sind auf Ferienlager in einem intakten Schloss und schreiben Briefe nach Hause.

Nanni Balestrini, Sandokan

h.schoenauer - 11.09.2012

Wie kann man einen sozialen Sumpf erzählen, ohne dass man als Leser darin rettungslos verlorengeht? - Nanni Balestrini hat für seine Camorra-Geschichte die Methode der Atemlosigkeit gewählt.

Rein äußerlich tut sich eine Kriminalgeschichte auf, der Camorra-Pate Sandokan wird gleich zu Beginn eingekesselt und verhaftet, aber der Ich-Erzähler wird durch diese Aktion in einen Bottich von sozio-historischen Schlingpflanzen geworfen, dass er Mühe hat, etwas Ordnung in die Wahrnehmung zu kriegen.

Artur Becker, Der Lippenstift meiner Mutter

h.schoenauer - 09.09.2012

Pubertät in einer polnischen Provinzstadt - diese drei harten „P“ garantieren eine groteske Literatur.

In einem entlegenen Städtchen Polens hart an der russischen Grenze steckt das sogenannte Schusterkind Bartek seine Reviere ab. Headquarter dieser Erkundungen ist eine Schusterwerkstatt, in der die wichtigsten Personen ein und ausgehen, zumal es zu Hause oft düster und wild hergeht.

Elisabeth Reichart, Die Voest-Kinder

h.schoenauer - 08.09.2012

Die Kindheit bildet oft einen eigenen Staat im Staat, die Beschreibung einer verstaatlichten Kindheit führt also automatisch zu einer Beschreibung des Staates.

Im Falle von Elisabeth Reicharts Roman über die Voest-Kinder wird dieser Verstaatlichungseffekt noch vom Thema her unterstützt, handelt es sich doch bei den Vereinigten Edelstahlwerken um ein besonders handfestes Stück Österreich der Nachkriegszeit.

Raoul Schrott, Das schweigende Kind

h.schoenauer - 06.09.2012

Eine ordentliche Lebenskrise hat die Kraft, ganze Jahrgänge stumm zu machen. In Raoul Schrotts Erzählung „Das schweigende Kind“ macht ein beichtender Maler eine formidable Krise durch. Äußerlich ist soeben jene Katastrophe eingetreten, die sich vielleicht innerlich schon über Jahre angestaut hat.

Der Erzähler identifiziert in einem Krankenhaus eine Frau, die die Mutter seines Kindes ist. Offensichtlich ist sie erstickt, vielleicht sogar erwürgt worden.

Otto Licha, Kripp

h.schoenauer - 04.09.2012

Manchmal sucht sich die regionale Zeitgeschichte eine Lichtgestalt, um an ihr ein Stück Gegenwart abzuhandeln.

Otto Licha greift in seiner Doku-fiktionalen Schilderung der späten sechziger und frühen siebzieger Jahre in Innsbruck auf die legendäre Figur Kripp zurück, „Kripp und klar“, wie die Parole aus der damaligen Zeit lautete.

Elias Schneitter, What‘s nude?

h.schoenauer - 02.09.2012

Wenn Menschen der Gegenwart aktuelle Nachrichten empfangen, wischen sie gerne mit den Zwicke-Gliedmaßen Daumen und Finger über die glatte Fläche des Smartphones, um dann eine Portion Glück unter der Glätte des Displays zu empfangen.

Ähnliches Glück verspricht die sogenannte Handpresse. Darin werden in exquisiter Technik sorgsam ausgewählte Texte für ein erlauchtes Publikum aufbereitet.

Hans Platzgumer, Trans-Maghreb

h.schoenauer - 30.08.2012

Eine Novelle muss uns eine unerhörte Begebenheit nahebringen, die uns vielleicht sogar nahe geht.

Hans Platzgumer stellt mit seiner Novelle vom Bauträger Anton Corwald vielleicht eine neue Gattung vor, nämlich die literarische Nachbearbeitung einer internationalen Nachricht. Zu diesem Zweck installiert er eine so genannte Rahmenhandlung, die darin besteht, dass der Ich-Erzähler, ein 38-jähriger Bauingenieur, sich zu Hause in Wien mit jeder Menge Ottakringer ansäuft und auf seine Mama wartet, dass sie ihm die Wohnung putzt.

Herbert Rosendorfer, Huturm

h.schoenauer - 28.08.2012

Was gibt es Wuchtigeres als einen Stammbaum, dessen Verwurzelungen sich über Jahrhunderte in das Gestein der Geschichte hineinzwängen und diese manchmal sprengen!

In Herbert Rosendorfers Roman aus den Tiefen der Provinz kommen gleich zwei fulminante Stammbäume zum Tragen. Auf der Vorderseite des Buches ist die Sippschaft des niedergehenden Fürstentums Feldenwerth-Tragans aufgepinselt, im Hinterteil die Hotel-Sippschaft der aufstrebenden Guggemots. Beide Zweige kreuzen sich im Laufe der Zeit mehrmals und lassen dabei nie ihren Sinn aus dem Auge, die fürstliche Dynastie zelebriert den Niedergang, die handwerkliche den scheinbaren Aufstieg.

Carolina Schutti, Einmal muss ich über weiches Gras gelaufen sein

h.schoenauer - 26.08.2012

Erst wenn man sich auf die Suche nach seiner verdeckten Herkunft gemacht hat, kann man mit dem Leben beginnen.

In Carolina Schuttis Roman geht die junge Frau Maja ihren eigenen Herkunftsspuren nach. Sie ist offensichtlich einst durch widrige historische Umstände in einem kleinen Dorf „gelandet“, die erste Bezugsperson ist eine sogenannte Tante, die sie in die wichtigsten Handgriffe des einfachen Lebens einführt.