Buch-CoverManche Bücher bewegen das Leben des Lesers, indem ein seltsamer Energiesaft von den Buchseiten über die Unterarme in den Körper strömt.

Peter Handkes Die morawische Nacht ist so eine Erzählung, der man zuerst poetisch, gefühlsmäßig, philosophisch aufgeweckt und voller Gelassenheit zuhört, ehe man überhaupt überlegt, was in diesem Buch eigentlich alles passiert.

Buch-CoverDie Natur tut letztlich, was sie will, sie ist die letzte, die sich aus ihrer Unversehrtheit vertreiben lässt und ist die erste, die nach der Vertreibung als Pionierpflanze wieder zurückkommt.

Kaum eine Einteilung entspricht genau genommen der Natur, und alles, was der Mensch von ihr wahrnimmt ist höchstens ein kleines Stück höherer Wahrheit.

Buch-CoverTaxifahrer sind die Geschichtenträger einer Stadt, wo sie auftauchen passiert etwas, und wenn etwas passiert ist, wird es meist von einem aufgeregten Fahrgast dem erstbesten Taxilenker erzählt.

Guy Helmingers Roman beginnt mit einer klassischen Taxiszene in Köln , ein paar seltsame Figuren wollen eine ungewöhnliche Fahrt buchen, doch der Held hat nichts dergleichen im Sinn, er pflegt seine Plüschtiere am Fahrgastsitz und gibt sich abweisend.

Buch-CoverEin Vexierbild ist eine vorläufig fixierte Illusion, die sich bei genauerem Hinsehen als etwas ganz anderes entpuppen kann.

Hans Raimund führt in seinen Gedichten immer diesem Umkippeffekt vor, an dem sich eine Erfahrung in das Gegenteil verkehrt, eine Liebe Argwohn erweckt, eine Lebensplanung entgleist.

Buch-CoverWas sich wie der Name eines Indianerhäuptlings oder einer Monstrosität anhört, ist in Wirklichkeit eine Methode, als Kind in der Großstadtwirklichkeit zu überleben.

Der fünfjährige Jakob will unbedingt alleine mit der U-Bahn fahren, das Kindermädchen liefert ihn an der Einstiegsstation ab und nach elf Stationen soll er von seiner Mutter wieder abgeholt werden. Um sich die Route zu merken, braucht es elf Finger, dann heißt es aussteigen.

Buch-CoverManchmal zischt ein Buch in die Seele des Lesers wie ein zweischneidiges Messer. Üblicherweise liest man ein Buch, das in eine unbekannte Zeitzone führt, mit dem Nachwort zuerst, ehe es ab in den Text geht, aber im Falle der Blockade ist es egal, wo man beginnt, mit dem aufrüttelnden Originaltext von Gennadij Gor oder dem noch aufrüttelnderen Nachwort von Peter Urban.

Es geht schlicht darum, dass zwischen 1942 und 1944 in Leningrad ein Genozid stattgefunden hat, die Stadt wurde von der deutschen Wehrmacht belagert und man rechnete damit, dass sie von selbst stirbt.

Buch-CoverAn schaurigen Orten kriminellen Geschehens wird oft eine Gedenktafel aufgestellt, auf der in heftig blutigen Sätzen der Ablauf des Verbrechens im Inschriften-Stil dokumentiert wird.

Axel Karner gibt seinen Kriminalgeschichten äußerlich die Gestalt von Mahnmalen, in Blockbuchstaben läuft der kurze Text jeweils über die Seite und erinnert an Marterlen, auf denen bemerkenswerte Skurrilitäten verzeichnet sind.

Buch-CoverOffensichtlich kann ein Tollhaus überall dort auftreten wo jemand scheinbar unbeobachtet und seltsam enthemmt seine Gedanken ausbreitet. - "Kultur ist, wenn einer allein im Keller sitzt, im Finstern, und sich trotzdem die Hand vorhält beim Gähnen." (42)

Gustav Ernst schickt seine Figuren in die aberwitzigsten Situationen, worin sie letztlich nichts anderes tun, als sich ununterbrochen auf die Eier zu gehen oder sich sonst irgendwie durch penetranten Mono-Dialog an die Grenze des rhetorisch Erträglichen zu katapultieren.

Buch-CoverGeschmeidig und handzahm springt dieses kulturhistorische Bilderlesebuch dem Benützer in die Hand und verhält sich wie ein Wanderführer, den man unauffällig griffbereit in die Überlandkleidung steckt.

Und der Umschlag schaut harmlos sicher wie eine Wanderkarte aus, hat es aber in sich, alles nämlich ist ein Fake.

Buch-CoverDiese große Sehnsucht, aus einem unauffälligen Dasein eine Besonderheit zu machen, zieht sich durch die Träume der Menschheit und folglich der Literatur. Vielleicht kann man an Eichendorffs Realo-Romantik-Roman denken "Aus dem Leben eines Taugenichts", eine feine Sache über die Jahrhunderte.

Werner Schandor schickt seine zersplitterten Protagonisten aus diesem Grunde in den lumpigen Alltag. Wie kann ich mein Leben heroisch begreifen, und kann ich eingreifen, um mir selbst gerecht zu werden?