Armin Groh, Die blinden Flecken der Demokratie
„Da begann ich mich zu fragen, ob hier nicht etwas grundlegend falsch lief in unserer Stadt. War das das die >Demokratie<, die immer so gelobt wurde, wenn mein Vater und seine Freunde sich so einfach durchsetzen konnten, weil sie gute Verbindungen hatten. Die Sozialhilfeempfänger hatten wenige Aussichten, sich gegen diese Entscheidung zu wehren, Ihre Stimme würde kaum wahrgenommen werden. Hatte mein Vater mehr Macht verdient als andere?“ (S. 21)
Die Leserinnen und Leser begleiten Lukas und Leon in ihrem Alltag und entdecken dabei grundsätzliche Fragen und Probleme der Demokratie, die durch die unterschiedliche soziale Herkunft der beiden zu Tage treten. Dabei steht die Bedeutung von Demokratie und die Möglichkeit demokratischer Teilhabe und Mitbestimmung im Mittelpunkt der spannenden Entdeckungsreise durch die Welt der Herrschafts- und Gesellschaftsformen.
Lukas und Leon kennen sich bereits seit Kindheitstagen und teilen sich, über alle soziale Grenzen hinweg, ihre Vorliebe für Dinosaurier. Während Lukas‘ Vater in einer Anwaltskanzlei tätig ist und die Familie drei teure Autos besitzt, kann sich Leons Vater kein Auto leisten und muss mit seinem Gelenkschaden jeden Tag zu Fuß zur Arbeit humpeln. Außerdem stören Lukas‘ Vater die zahlreichen Sozialwohnungen in ihrem Viertel, weil es die Immobilienpreise erheblich drückt.
Insgesamt steht die Freundschaft zwischen Lukas und Leon somit auf wackeligem Untergrund, wird sie doch vor allem von Lukas‘ Eltern mit Argusaugen beobachtet. Als Lukas‘ Vater seinen Einfluss geltend macht, um eine Umsiedlung seiner armen Nachbarn in die Wege zu leiten, stellt sich Lukas die Frage, wie sein kann, dass Menschen mit viel Geld leichter ihren Willen durchsetzen können als arme. Damit werden grundsätzliche Fragen nach dem Wesen der Demokratie aufgeworfen.
Als Lukas bei der pensionierten Lateinlehrerin Sophie Nachhilfe nimmt, kommen sie über einen Dialog Ciceros über die beste Verfassung in ein politisches Gespräch über Demokratie und was Demokratie ausmacht. Sophie beschließt die Diskussion über Demokratie und Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in einer Gesellschaft weiterzuführen, wenn Lukas die fehlende Lernzeit selbst intensiv nachholt.
Bald schon erfährt Lukas von verschiedenen philosophischen Denkmodellen zum politischen Leben und von verschiedenen Verfassungsmodellen von der Antike bis in die Gegenwart. Bald schon wird auch Leon zu den Diskussionen und Gesprächen eingeladen, in denen die verschiedenen Aspekte der Demokratie erörtert werden, wie zu den Bereichen Freiheit, Eigentum, Wirtschaft, Frieden, Medien oder zum Verhältnis von Demokratie und Globalisierung. Mit viel Enthusiasmus beginnen Lukas und Leon ihre gewonnenen Erkenntnisse auf die konkreten Wohnungsprobleme von Leons Familie anzuwenden.
Armin Groh packt seine tiefgründige und fundierte Auseinandersetzung mit dem Wesen der Demokratie sowie seine Gesellschaftskritik in eine realistische Alltagsgeschichte, wie sie vielen Menschen passieren könnte. Dabei vermengen sich theoretische Auseinandersetzung mit philosophischem und politischem Denken und praktische Anwendung und Umsetzung im Alltag auf überaus spannende Weise.
Ein besonders empfehlenswertes Buch, das Roman und Sachbuch auf ebenso geschickte wie unterhaltsame Weise zu verbinden weiß und auf spielerische und verständliche Weise hilft, sie bewusst und kritisch mit den Grundprinzipien der Demokratie auseinander zu setzen.
Armin Groh, Die blinden Flecken der Demokratie. Eine Entdeckungsreise in die politische Ideengeschichte
Wien: Promedia Verlag - Edition Makroskop 2023, 264 Seiten, 23,00 €, ISBN 978-3-85371-522-2
Weiterführende Links:
Promedia Verlag: Armin Groh, Die blinden Flecken der Demokratie
Promedia: Armin Groh
Andreas Markt-Huter, 27-02-2024