Martin Dragosits – Podium Porträt 131
Gedichte sind wie seltene Erden, hoch gefragt, aber schwer zu schürfen. Es bedarf freundschaftlicher Unterstützung, um als Leser zu jener Rarität vorzudringen, die uns oft nur für wenige Augenblicke berührt.
Ein Werkzeug zum Schürfen dieser Gedichte ist die Serie „Podium Porträt“. Dabei wird im bewährten Postkartenformat das lyrische Werk von Zeit-Genießenden vorgestellt, die dabei Gedichte oder Kurzprosa verfassen. Denn die Zeit wird in diesen Sphären in Vers-Einheiten oder Gedankenschüben gemessen, meist ist es fünf vor zwölf, manchmal auch schon etwas später.
Wie ein Fisch ständig Wasser im Mund hat, um zu überleben, hat der Mensch am Lande Brot im Mund, und wenn um das tägliche Brot gekämpft wird, entsteht das Blutbrot.
In der Prokulus-Kirche bei Naturns sitzt eine Figur auf einem gemalten Seil und schaukelt. Sie macht das so kühn und jenseits aller physikalischen Gepflogenheiten, dass die Menschen ihre Reise abbrechen und nachschauen, was es mit diesem Fresko aus alter Zeit auf sich hat. – Ist es überhaupt Kunst, was es da zu bestaunen gilt? Ein Kind sagt dazu verblüffend klar: Es ist ein Engel!
Lyrik wird gespeist aus einem Befinden, das als Ur-Ozean bezeichnet wird. Der Essayist Alexander Kluge vermutet von diesem Urzustand, dass er den Subjekten eine stabile Körpertemperatur vermittelt, die ungefähr bei 37 Grad liegt.
Mit zunehmendem Alter wird der Schreibtisch der Boomer und Beamten immer aufgeräumter. Letztlich bleibt nur ein Stehkalender übrig, der zu Ende geblättert ist.
„Ob Buch, Zeitung oder Internetformate: Medien informieren und manipulieren uns. In Zeiten von »Lügenpresse«-Vorwürfen bedarf es einer besonderen Verantwortung, um zur kritischen Auseinandersetzung mit Meinungsbildungsprozessen über Medien einzuladen. In diesem Buch wird es nicht primär um auffällige Fehlleistungen von Medien gehen, sondern um die gängige Konstruiertheit medial vermittelten Wissens mitsamt der möglichen Prägung von Vorstellungen.“ (S. 9)
In der Lyrik und in der Fotografie kommt es vor allem auf das Licht an. Beim ersten Einsetzen der Dämmerung lässt sich eine erste Bilanz ziehen: Wie war das Licht des Tages und welche Bilder hat es zugelassen?
In beinahe geheim überlieferten Lebenserfahrungen ist oft die Rede davon, dass die fettesten Gräser am Rande eines Feldes anzutreffen sind. Und auch im weiten Feld der Kultur gilt die Erfahrung, dass sich die essentiellen Dinge oft am Rand abspielen.
Im Jahr 1951 sitzt eine Mutter in St. Johann vor einem leeren Papierhaufen und beginnt mit dem Aufschreiben von Erinnerungen für ihren Sohn. Die Schreiberin ist Marie Theres Foidl vom Lacknerhof. Sie ist aus Deutschland zugezogen und will ihrem Sohn erklären, dass man auch eine interessante Lebensgeschichte haben kann, wenn man nicht aus Tirol stammt.
Das Krokodil frisst dem Kasperl aus der Hand, wenn ängstliche Kinder zusehen. Außerhalb der Bühne frisst es freilich alles, woran Menschen hängen – die entlegene Kindheit, den hübschen Körper, die geliebten Angehörigen.