Titelbild: Ingeborg Görler, Oder soViel wird ja gerätselt und gemunkelt über die atmosphärisch verschiedenartige Anwendung der Sprache in Deutschland und Österreich. Die kleine Fügung „oder so“ ist so ein Partikel, womit sich verschiedene Anwendung zeigen lässt.

In Deutschland ist „oder so“ eine klar formulierte Alternative, welche die vorausgegangene Behauptung überhöht. In Österreich heißt „oder so“, dass es Wurst ist, was soeben gesagt worden ist, „oder so“ gleicht einer Handbewegung, mit der man alles relativiert, und die etwas von Kafkas Empfehlung in sich trägt: „Gibs auf!“

Titelbild: ArundaEine Zeitschrift nach einem Berg zu benennen, ist nie falsch. Zumindest Begriffe wie stabil, zeitlos und offen lassen auf ein Konzept schließen, wonach man mit Weitblick eine regionale Kultur zu bestreichen gedenkt. Arunda ist ein Berg in der Nähe von Mals Richtung Grenzgebiet zur Schweiz, von wo aus man an guten Tagen gute Sicht auf den Vinschgau hat.

Wie in der Zeit der regionalen Print-Euphorie üblich, ist im Jahre 1976 die Arunda gegründet worden, die jetzt zum vierzigsten Geburtstag vollständig digitalisiert und online gestellt ist. Christine Riccabona und Erika Wimmer haben zudem einen Arunda-Jubiläumsband herausgegeben, worin die Arunda-Macher im losen Gespräch die letzten Jahrzehnte Revue passieren lassen, umkränzt von Dokumenten und Fotos.

titelbild: Günter Vallaster, räume für notizenDas größte Programm ist in der Literatur jenes, das den Anwendern den größten Raum lässt.

Günter Vallaster stellt in seinen Projekten jede Menge Raum zur Verfügung. Einmal sind es öffentliche Einrichtungen, an deren mehr oder weniger freien Wänden Literatur fixiert werden kann. Einziges Kriterium dabei, es muss sich Bild-artig an eine Wand nageln lassen. Zum anderen sind es freie Flächen, wie sie in manchen Büchern für Notizen angeboten werden, wenn ein halber Bogen beim Drucken übrigbleibt.

Titelbild: Peter Reutterer, World Wide und auf der anderen SeiteWenn man mit der Maus bedächtig genug unterwegs ist, erscheinen einem die einzelnen Web-Seiten fallweise wie Gedichte.

Peter Reutterer lässt sein lyrisches Ich wie eine Maus durch diverse poetische Räume kreisen, was sich dabei auftut sind Schlagzeilen, Notizen, Sprichwörter, Lebenserfahrungen und Gedichte, knapp an der Schwelle hin zur Prosa. Logischerweise heißen die aufgesuchten Felder: In der Nähe (3), In der Ferne (61), Überall (111) und Intim (139).

Titelbild: Simon Konttas, Bagatellen Die Steigerung von einem Lyriker ist ein Lyriker mit Theorie.

Simon Konttas gibt seinen fünf lyrischen Weltanschauungen einen „berauschenden“ Titel: In der Ruhe rauschender Blätter. In seinem Nachwort, das man als Einbegleitung lesen sollte, nimmt er das schöne Motto des kolumbianischen Aphoristikers Nicolás Gómez Dávila auf, wonach Gedichte nicht geschrieben werden, damit wir sie lesen, sondern damit wir uns ihrer erinnern. (75)

Unbekanntes Objekt

Gute Schriftsteller überlegen ein Leben lang, was sie als den berühmten letzten Satz beim Sterben sagen könnten. Dabei entstehen oft ganze Gedichtbände.

Christian Futscher macht sich als Experte für außergewöhnliche Lebenssituationen naturgemäß auf die Suche nach einem passenden Gedicht, mit dem man sein Leben beenden könnte. Sein Top-Vorschlag für letzte Worte lautet: „Grüße an alle“. Mit dieser Grußformel beendet er den Gedichtband, wie auch ein paar Seiten früher in einem Herbstgedicht mit dieser Fügung die keimende Vegetation beendet worden ist.

Manche Bücher brennen sich wie ein Kalenderspruch in das Bewusstsein der Leserschaft: Mach es wie die Eieruhr, sei für weiche Eier nur.

Antonio Fian, der Meister der Erwachsenenbildung und Aus-dem-Ärmel-Schüttler literarischer Postings, hat wieder einmal ein paar Literaturgattungen zerlegt und für den Gebrauch der zwanzig-zehner Jahre neu zusammengefügt.

Es ist eine geheime Anordnung im Umlauf, wonach sich Lyrik immer auch um die aktuellen Umgangsformen in punkto Sprachstil und Themenfindung zu kümmern hat.

Renate Aichinger greift diese Anordnung aufmerksam auf und markiert ihre Gedichte mit Hashtags, wie man eben in manchen Internet-Foren seine Nachricht markiert und einer globalen Netz-Ordnung zuführt. Lange als wertloses Buchsetzer-Zeichen gehandelt, ist der Hashtag durch Twitter ein unverzichtbares Zeichen der Kommunikation geworden. Diesem brandheißen Zeichen der Gegenwart stellt die Autorin eine alte handwerkliche Tätigkeit entgegen, das „Endeln“ nimmt den Fransen am Ende einer Stoffbahn die Schärfe und verhindert die Auflösung des Stoffes von seinen Rändern her.

Gerade die Lyrik besteht oft mehr aus dem Drumherum als aus den kargen Zeilen, die reduziert und semantisch eingedickt aus den Seiten strahlen.

Klaus Merz, der Sir minimalistischer Werke, wird augenzwinkernd als Schuber-Dichter bezeichnet. Darin sind ähnlich einem Sparschwein aus der Kindheit, alle Werkelein und Novellchen in einem fetten Schuber angespart. Beim Stöbern in diesem gigantischen Ziegel vergisst man oft, dass es gerade das Dünne, Durchschimmernde ist, was die Zeilen des Altmeisters so wertvoll macht. Den Titel Altmeister hat sich Klaus Merz selbst zugefügt, indem er einer Schuber-Ausgabe zugestimmt hat. Die Botschaft eines Schubers lautet immer: Das war‘s, fertig, aus ist‘s!

Wenn die Gedichte ein Schatz sind, kann das Nachwort höchstens ein Tresor sein, bei dem manche Fächer entsperrt sind.

Joachim Gunter Hammer setzt mit seinen Siebzehnsilbern gleich von Anfang an den Leser unter Druck, aber es ist ein euphorischer Druck, wie wenn man ein Schiff besteigt, einen Kinosaal betritt oder hinter einer Biegung jäh einen Wald betritt. Gleich von der ersten Seite an hämmern diese Dreizeiler auf einen ein wie weiche Regentropfen, die hell auf der Haut aufschlagen und dabei eine Botschaft absetzen.