Joseph Zoderer, Die Erfindung der Sehnsucht
Abrundungslyrik nennt man jene Gedichte, die zwischen den Bücher-Klusen des Hauptwerks beiläufig entstanden sind und das Gedächtnis an den Autor wachhalten, wenn dieser gerade sonst nichts schreibt.
Joseph Zoderer lässt mit filigranen Sehnsuchtsgedichten von sich hören. Seine Gedichte sind Ausdruck eines Lebenszustandes, er steht nämlich ständig unter Schreib-Strom, im Minutentakt kommen ihm Sätze aus der alten Feder, die er zelebriert, anbetet und überall herumträgt.
Wenn man lange genug magisch auf eine Gegend schaut, entsteht dabei die Literatur wie von selbst. Der schwedische Wald hat, wie übrigens auch der Innsbrucker Mitterweg, die Kraft, täglich neue Geschichten wachsen zu lassen.
Als das Reisen noch nicht mit der Maus geplant werden musste, bestellte man für besonders intensive Ausfahrten das Ticket „einmal einfach“. Darin war immer eine makabre Anmerkung für den Tod versteckt, dass man vielleicht nicht mehr zurückkommen wolle.
Markante Lyrik punktet oft durch einen eleganten Duktus, mit dem die poetischen Schleifen durch das Gelände aus Visionen, Befindlichkeiten oder Naturresten gelegt ist.
Neben Liebe und Tod ist der Kreislauf der Zeit das aufregende Thema, das Künstler seit Jahrhunderten bewegt. Letztlich sind sogar Liebe und Tod der Zeit untergeordnet.
Die Literaturwissenschaft hat neben dem Hauptzweck, das eigene Personal hermetisch abgeschlossen gegenüber der Welt zu halten und darin Karrieren zu ermöglichen, auch einen Nebenzweck für das gemeine Volk, nämlich Texte aus vergangenen Epochen so aufzubereiten, dass sie die Wissens-entwöhnte Krimi-Dauerleserschaft der Gegenwart auch verstehen könnte.
Gedichte im Ausmaß von Planeten, das terrestrische Planetensystem, das mit der Zahl neun überschritten wird, dazu noch Fragmente und Instruktionen prägen Band zwanzig der „Neuen Lyrik aus Österreich“.
Seit es keinen Kaiser mehr in Österreich gibt, muss der Kanzler für alles Ferne und Entrückte herhalten.
„Wenn du zur Königsfamilie gehörst, ist England praktisch dein Privatanwesen, / Aus dem du, nachdem du majestätisch durch prachtvolle Häuser gerauscht bist, / Heraustrittst, um der allgemeinen Bevölkerung zuzuwinken / Und sodann Titel und Blechmedaillen an die Gutsarbeiter auszuteilen.“ (S. 56)
Wenn dich Gedichte im Titel anspringen wie ein festliches Gedeck, senkst du die Stimme, speichelst ein und blickst gut gelaunt zu den Mitsitzenden am Tisch.