Belletristik und Sachbücher

Egyd Gstättner, Absturz aus dem Himmel

h.schoenauer - 29.11.2011

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Die hohe Kunst des Romans liegt darin, eine Geschichte so aufzulösen, dass sie auch außerhalb der jeweiligen Lesegegenwart aktuell ist.

Egyd Gstättner hat sich für seinen Roman, bei dem es um das Aushalten der Gegenwart, um sterben und unsterblich sein geht, eine hochartifizielle Verquickung der Zeitebenen einfallen lassen. Wie schon der Titel ?Absturz aus dem Himmel sagt, müssen himmlische Erlösungsvorstellungen oft irdisch unterbrochen werden, damit sich ein höherer Sinn einfindet.

Tim Burton, Das traurige Ende des Austernjungen

h.schoenauer - 29.11.2011

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Illustrierte Kleinodien wie der Struwwelpeter oder Der kleine Prinz haben vielleicht deshalb Kultstatus erreicht, weil sie unsterblich schöne Sätze und Ikonenhafte Zeichnungen zu vereinen wissen.

Tim Burton, der Erfinder von fantastischen Kult-Filmen, gibt sich zwischendurch auch als Reimer und Buchillustrator die Ehre. ?Das traurige Ende des Austernjungen ist so ein schmales Frühstücksbuch, mit dem man den Tag vielleicht sinnvoller starten kann als mit der Lektüre einer hanebüchenen (Tiroler) Tageszeitung.

Manfred Wieninger, Das Dunkle und das Kalte

h.schoenauer - 28.11.2011

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Die Düsternis eines Krimis ist die beste Aufklärung für die reale Düsternis.

Manfred Wieninger hat mit Marek Miert den wahrscheinlich schmuddeligsten, fast-foodigsten und dennoch für das Abseitige empfindsamsten Privatdetektiv Österreichs auf die literarische Bühne gestellt. Wer so eine Figur zu dirigieren vermag, dem traut man auch in der sogenannten echten Provinz-Welt zu, dass er dunkle Schätze aus dem Glibber der Geschichte hebt.

José Saramago, Kain

h.schoenauer - 24.11.2011

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Ein Sprichwort in der Literatur besagt, wenn du einmal einen Preis bekommen hast, hast du die Unverfrorenheit beim Schreiben verloren.

José Saramago hat 1998 den Nobelpreis für Literatur erhalten und natürlich werden die Bücher, die er mit dem Preis im Rücken geschrieben hat, schärfer beurteilt als seine früheren Bücher, die in sich scharf waren. Der Roman Kain, im Original ein Jahr vor dem Tod des Autors erschienen, erzeugt natürlich eine gewisse Milde, das letzte Werk eines Autors ragt ja oft schon mit einem Fuß ins Jenseits, lautet eine andere Leseweisheit.

Juri Andruchowytsch, Perversion

h.schoenauer - 24.11.2011

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Das Wort Perversion hat neben dem magischen auch einen magnetischen Aspekt. Kaum fällt der Ausdruck Perversion, stürzen sich alle darauf und diskutieren, was denn nun an dieser Perversion alles verdreht, echt oder wahrhaftig ist.

Juri Andruchowytsch nimmt die Lust nach Perversion zum Anlass, um einerseits Interesse an seinem Helden zu wecken und andererseits die verqueren Gesichtszüge der Geschichte und ihren Wahrheitscharakter darzustellen. Sein Held Stanislaus Perfezki ist ukrainischer Untergrundkünstler, der in seiner Kunst erst wahr genommen wird, als er verschwindet.

Lina Hofstädter, Satansbrut

h.schoenauer - 21.11.2011

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Diese alpinen Dörfer haben es oft faustdick hinter den Mauern! Während sie nach außen hin Postkarten-Ästhetik abstrahlen, werden unter der Tuchent der Schönheit die Seelen massakariert.

Lina Hofstädters Satansbrut geht einem tabuisierten Phänomen nach, dass sich nämlich gerade Jugendliche oft zusammenrotten und als Gegenfolie zur Welt der Erwachsenen einem oft durchaus perversen Kult frönen.

Kurt Leutgeb, Kirchstetten

h.schoenauer - 21.11.2011

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Manchmal muss man die Geschichte völlig falsch erzählen, um der Wahrheit auf die Schliche zu kommen.

Kurt Leutgeb geht in seinem Roman Kirchstetten davon aus, dass nichts eindeutig ist. Das beginnt schon mit dem Ort Kirchstetten, der dreimal rund um Wien vorkommt und ständig verwechselt wird. Damit diese Orte wenigstens historisch unverwechselbar werden, verpasst ihnen der Autor jeweils eine einmalige Geschichte.

Friedrich Hahn, Mitten am Rand

h.schoenauer - 19.11.2011

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Wenn die Koordinaten einmal verschoben sind, lässt sich kaum noch eine passable Navigation durchführen. Das gilt für eine simple Wegstrecke genauso wie für die Abwicklung eines geordneten Lebens.

In Friedrich Hahns Roman mit der seltsamen Koordinatenangabe "Mitten am Rand" gerät für den Maler Gregor die Welt aus den Fugen, weil die Scheidung ansteht und das Haus versteigert wird. Offensichtlich ist er ein Künstler, der stark an irdischer Liebe und irdischem Hausrat hängt, denn die Kunst an und für sich wäre ja von der Scheidung nicht betroffen.

Peh! (Paula Gelbke), Drei Farben Weiß

h.schoenauer - 19.11.2011

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Beim Poetry Slam geht es verkürzt gesagt darum, durch originelle Präsentation das Publikum für sich zu gewinnen. Die Darbietung und die Tagesverfassung sowohl der Autorin als auch des Publikums entscheiden also über die Akzeptanz des Textes.

Peh spielt im kontinentalen Poetry Slam in der obersten Liga, hat Dutzende Tagessiege und Preise eingeheimst. Ihr aktuelles Programm ?Drei Farben Weiß ist daher wie eine Partitur zu lesen, die der Leser selbst realisieren muss. Eine beigefügte CD mit zwölf Darbietungen und einem Intro von Markus Köhle gibt freilich eine erste Anregung, wie man die Texte lesen könnte.

C.W. Bauer, mein lieben mein hassen mein mittendrin du

h.schoenauer - 18.11.2011

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Lyrik besteht einerseits aus einzelnen Gedichten, die jeweils wie ein optisches Gerät einen anderen Blick auf die Gegenwart ermöglichen, andererseits ist Lyrik ein Universum, worin die einzelnen Texte sich bis zur Größe einer Milchstraße entfalten.

Christoph W. Bauer schickt in seinem Gedichtband ?mein lieben mein hassen mein mittendrin du in einzelnen Gedichten ein lyrisches Ich auf die Reise mit und zur Geliebten, andererseits kippt er die Zeitachse, indem er nahtlos an der erotischen Lyrik Catulls ansetzt, diesen mit Zeilen aus der Gegenwart umgarnt, übersetzt, spiegelt.