Heidemarie Brosche, Die Fliege-Ziege
„Die jungen Zicklein durften endlich auf die Wiese. Sie drängelten und rempelten und stolperten übereinander. Die Ziegenmamas schauten zu. »Springt nicht zu hoch!«, rief die eine. »Tobt nicht so wild«, sagte die andere. »Und hütet euch vor den Nachtvögeln!«, ermahnte die dritte. »Die können euch gefährlich werden« Aber die jungen Ziegen hatten anderes im Sinn.“
Die Ziegenkitze genießen voll Übermut ihr Leben auf der Wiese, laufen stürmisch umher, balgen sich und lassen sich fallen. Doch die kleinste und zarteste Ziege gibt sich besonders temperamentvoll und biegt sich in ihren Sprüngen immer wilder kräftig durch, bis sie plötzlich für kurze Zeit in der Luft verharrt und ganz langsam zu Boden sinkt. Alle Ziegen auf dem Boden erstarren und halten die Luft an.
„Im Wolfsrudel gibt es fünf Welpen, die fünf Monate alt sind. Der fünfte Welpe ist weiß und ein Mädchen. Es heißt Fünf. Aufgeregt jaulen die Welpen: Das Rudel kommt von der Jagd. Vorne laufen die Leitwölfe Breitmaul und Vollmut.“ (S. 6f)
„Seid gegrüßt, ihr Sterblichen. Mein Name ist Loki, und ich bin ein Gott. Also … in gewisser Weise. Es ist kompliziert. Momentan lebe ich in Midgard (euch auch bekannt als Erde), und zwar in Gestalt eines mickrigen sterblichen Jungen namens Liam. Ich verfüge noch immer über die Kräfte eines mächtigen Gottes, aber es ist mir verboten, sie öffentlich einzusetzen. Außerdem muss ich in die Schule gehen. Niemals hat jemand so sehr gelitten wie ich.“ (S. 9)
„Ellie war immer noch da, sie saß in der ersten Reihe, aber sie hielt etwas im Arm und sah ganz anders aus als sonst, völlig aufgelöst und über und über errötet … »Das hat jemand hiergelassen«, sagte sie. Sie schlug das Tuch zurück, und Sigrid beugte sich vor, um zu schauen. »Herr im Himmel!« Das Baby war noch sehr klein, nicht mehr als ein paar Tage alt, aber es war erstaunlich lebendig.“ (S. 9)
„Alle Städte sind Geister. Neue Gebäude entstehen, über den Gebeinen der alten, sodass jeder glänzende Stahlträger, jedes Backsteinhochhaus die Erinnerung an das, was nicht mehr da ist, in sich trägt – ein architektonischer Spuk.“ (10)
„Selma stand im Tapetenwald, und sie hatte, ohne sich etwas dabei zu denken, ein Bonbonpapierchen aufgehoben. Mehr war nicht passiert, also brauchte sie der komische Maulwurf auch nicht so anzupampen. »Warum bist du denn so unfreundlich?«, fragte sie ihn. »Ich hab doch gar nichts gemacht.« »Nipf gemacht, fofo«, sagte der Maulwurf, der immer noch kleine Krümel Erde spuckte. »Wer’f glaubt.«“ (S. 16)
„Lilli weiß, dass ihre Mutter es gut meint, wenn sie ihr jeden Morgen ein gesundes Pausenbrot einpackt. Aber muss es immer das dunkelste Vollkornbrot sein, das es beim Bäcker gibt? Das allertrockenste Vollkornbrot, noch dazu mit fader Tofupaste, Sojasprossen und labbrigem Salatblatt drauf? Und das jeden Tag? Brr! Lilli schüttelt sich, wenn sie nur daran denkt.“ (S. 11)
„An einem unbekannten Ort vor nicht allzu langer Zeit gehörte unsere Welt den Dschinn, jenen verdammten Kreaturen, die unsere Wüste wie Geister durchstreifen. Im Gegensatz zu uns Menschen, die aus Erde geformt wurden, schufen die Götter die Dschinn aus einer uralten Flamme, sodass sie Hunderte Jahre lebten und magische Kräfte besaßen. Deswegen können einige Dschinn ihre Gestalt verwandeln und andere Feuer spucken oder im Handumdrehen bis ans andere Ende der Welt reisen.“ (S. 9)
„Warst du schon einmal in einer Galerie, um dir Kunst anzuschauen? Oder hast du anderswo Kunstwerke entdeckt? Wusstest du, dass Dick Bruna von Kunst begeistert war? Bevor er als Schöpfer des kleinen Hasen Miffy berühmt wurde, ließ er sich von Künstler wie Matisse, Léger und Picasso inspirieren.“
„Der Tag war herrlich, bis ihn jemand fressen wollte. Es war ein schwarzes, hundeähnliches Biest, ähnelte aber keinem ihm bekannten Hund. Seine Zähne waren so lang wie sein Arm, mit den Klauen hätte es eine Eiche zerfetzen können. Es spricht also sehr für Christopher Forrester, dass er durch Tempo, List und Mut dem Schicksal entging, verschlungen zu werden. (S. 21)