Robert Misik, Was Linke denken
Zum freiwillig Lesen gehören immer ein Schuss Romantik und der Glaube daran, in ein halbwegs logisches und überschaubares Gebiet vordringen zu können. Viele Linke haben in den Sechziger Jahren anhand der bunten Suhrkamp-Bücher das Lesen gelernt und schwärmen heute noch davon, wie logisch, bunt und heimelig damals alles gewesen ist.
Robert Misik erzählt für Neueinsteiger, was Linke so lesen, wie linke Protagonisten getickt haben und welche Gedankengänge wann und warum in den Vordergrund getreten sind. Gleich zu Beginn räumt er mit dem Mythos auf, wonach in der linken Szene besonders viel gelesen und gedacht würde, das Danken verteilt sich dünn gesät auf alle Schichten und Gedankenträger.
„ … ich werde meine Tiere verlieren. Alle. Mein Bruder wird sich meinen Keller unter den Nagel reißen. Drei Jahre lang habe ich an meinem Insektenlabor herumgewerkelt und es aufgebaut. Drei Jahre lang habe ich Insekten gesammelt und gepflegt. Und plötzlich sollen sie alle verschwinden?“ (6)
Wie die Gegenwart so tickt lässt sich zwischendurch an Erzählungen ablesen, die auf der Höhe der Zeit mit allen Mitteln der Fiktions-Technik Stoff aus den Nischen des Daseins holen.
„Es ist Sommer und Leyla freut sich, ihre Großeltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen in der türkischen Hafenstadt Ayvalik zu besuchen. (2) /
Fette Serienromane nehmen die Edition als Werkausgabe gleich vorweg und ersparen uns so diese kommentierten Ausgaben, die die Germanisten mittlerweile an allen Ecken und Enden loslassen.
„Alle Städte sind Geister. Neue Gebäude entstehen, über den Gebeinen der alten, sodass jeder glänzende Stahlträger, jedes Backsteinhochhaus die Erinnerung an das, was nicht mehr da ist, in sich trägt – ein architektonischer Spuk.“ (11)
Von Territorien sprechen vor allem Militärs und Hunde, die einen erobern und verteidigen Territorien nach Befehl, die anderen stecken ihre Territorien ab und markieren sie mit gehobenem Bein.
„»Ein Fall!«, rief er dann. »Endlich wieder ein richtiger Fall!« »Denk daran, dass es um unseren Opa geht«, erwiderte ich. »Er darf nicht erfahren, dass wir Nachforschungen anstellen.« Kalle nickt heftig. »Top Secret. Alles klar. Aber jetzt brauchen wir erst einmal einen Plan«, ergänzte er, während er sich die Hände rieb.“ (37)
Auf gut Österreichisch bedeutet Schwund meist einen unerklärlichen Verlust, der beim Wirtschaften entsteht. Diebstähle, Transportunglücke und unerklärliche Lagerverluste bewirken meist einen Schwund, den man in der Bilanz achselzuckend zur Kenntnis nimmt.
„Am Waldrand wohnen die Roten Waldameisen in einem großen Ameisenhaufen auch Fichtennadeln und Zweigen. Sie suchen den Wald nach Futter ab und tragen es auf ihren Ameisenstraßen nach Hause. Gerade haben einige Ameisen eine neue Futterquelle entdeckt.“