Belletristik und Sachbücher

Thomas Sautner, Pavillon 44

h.schoenauer - 21.02.2025

thomas sautner, pavillon 44In der Bezirksstadt Gmünd klettert am Friedhof ein Nackter auf das Dach des Mausoleums und wartet auf seine Abführung. Die freiwillige Feuerwehr breitet zur Vorsicht das Sprungtuch aus, aber der Held lässt sich manuell retten und wird nach Wien in die Psychiatrie gebracht, wo alsbald die Diagnose fällt: „Der Nackte am Friedhof war irr.“ (23)

Thomas Sautner schickt im Roman „Pavillon 44“ seine Helden an die Kante ihrer jeweiligen Welt und lässt sie dann über die Klinge der Erkenntnis springen. Diese drei Welten sind: Roman, Psychiatrie, Politik.

Christoph Janacs / Ludwig Laher / Gerhard Ruiss, O du mein Österreich

h.schoenauer - 19.02.2025

christoph janacs, o du mein österreichWo gibt es die schönste Nationalhymne der Welt? – In Spanien. Dort hat die Hymne keinen Text und wird umso inniger gesummt. Unter dem typisch süßlichen Titel „O du mein Österreich“ gehen ein Übersetzer, ein Germanist und ein Urheberrechtsspezialist (Janacs / Laher / Ruiss) der Frage nach, wie zeitgemäß die Bundeshymne und die einzelnen Landeshymnen noch sind. Bei dieser Gelegenheit kommt auch das „Politisch Unbewusste“ an die Oberfläche der Analysen, denn jede Hymne trägt eine geheime Botschaft in sich, die beim Absingen gerne verschluckt wird.

Im Vorspann wird auf den besonderen Charakter der Hymne hingewiesen. Im Griechischen ist ein besonderes „Tongefüge“ gemeint, das erhabene Stimmung evoziert. Bei der Bildung der Nationalstaaten ist es daher sinnvoll, mit Hymnen zu arbeiten, die ein besonderes Gefühl der Identität erzeugen sollen.

Martin Hanni, Oh! Südtirol

h.schoenauer - 17.02.2025

marrtin hanni, oh! südtirolSeit man gewisse Orte vor lauter Touristen nicht mehr sieht, müssen sich Reiseführer als sogenannte „inside Guides“ an die Einheimischen wenden. Diese reagieren mit einem verwunderten Oh!, wenn sie auf die eigene Lebenswelt zurückgeführt werden. Martin Hanni wendet sich mit seinem Reiselesebuch „Oh! Südtirol“ vor allem an die Einheimischen, die im Gewusel touristischer Prosperität sich inzwischen an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen.

Um dem allgegenwärtigen Over-Tourismus ein wenig Paroli zu bieten, werden die beiden strategischen Abwehrmechanismen Südtirols vorgestellt. Reinhold Messner empfiehlt pragmatisch, die Hotspots des Landes von jeglicher Aufmerksamkeit zu entkoppeln, sodass sich der Tourismus entzerrt. Mariedl Innerhofer empfiehlt in literarischer Manier, dass die Touristen das Geld als Schutzgebühr für die Natur schicken sollen, selbst aber dem Land fernbleiben, um es nicht durch Massenauflauf zu zerstören.

Joachim Gunter Hammer, Siebzehnstein

h.schoenauer - 14.02.2025

joachim gunter hammer, siebzehnsteinEin Geograph stellt sich die Poesie vielleicht als Gebirge vor, in das verschiedene Adern von Erzen eingelassen sind, ein Mathematiker als eine Formel, in der ständig neue Unbekannte auftreten, und ein Zoologe vielleicht als Schatten von Vögeln, die gerade ausgestorben sind.

Alle diese Zugänge sind bei Joachim Gunter Hammer zu einem sprachlichen Strang verknüpft, der letztlich auf Zug hin ins Ungewisse gespannt ist. Seit beinahe dreißig Gedichtbänden löst der Autor Fasern aus Gedankengebilden heraus, wie sie einzelne Fakultäten an den Unis lehren. Er verquirlt sie zu bislang unentdeckten Versen, die scheinbar immer schon da sind. Sie warten auf das Geschürft-Werden, mal knapp an der Oberfläche von Papier, dann wieder in der Tiefe eines Gedichtbandes, der Leser soll sich auf Überraschungen einstellen.

Friedrich Hahn, Die Heimsuchung

h.schoenauer - 07.02.2025

friedrich hahn, die heimsuchungWer im literarischen Kosmos des Friedrich Hahn Heldin oder Held sein will, muss sich die Qualität eines Sandkorns im Stundenglas zulegen. Der mehrdeutige Begriff „Heimsuchung“ stellt sich im höheren Alter oft in den Weg einer glatten Biographie. Einerseits ist darunter eine soziale Einrichtung zu verstehen, worin Pflege und Obsorge als kleines Paradies angeboten werden, andererseits lässt sich eine amorphe Lebenssituation durchaus als pure Bedrohung deuten. „Ist die Suche nach dem Heim abgeschlossen, beginnt die Heimsuchung.“

Im Mittelpunkt des Romans steht der einundsiebzigjährige Siegi, der im Heim an der Uferstraße untergekommen ist. In seiner aktiven Zeit hat er als Tierpfleger in Schönbrunn gearbeitet, aber das frühere Leben spielt ab nun keine Rolle mehr, hier wird jeder an seinem Handicap gemessen, das er zu bewältigen hat. Siegi hat einen „welken“ Fuß und geht am Stock, zur Einführung in die neue Lebenssituation leiht er sich einen Rollator aus und umrundet die neue Wohnstatt.

Johann Hinrich Claussen, Gottes Bilder

andreas.markt-huter - 05.02.2025

johann hinrich claussen, gottesbilder„Selten kann man sich so fremd fühlen, wie beim Besuch eines Museums mit alten christlichen Bildwerken. […] Deshalb versucht dieses Buch, eine Art Ausstellung zu gestalten. Sie besteht aus zwölf Sälen, die einen Weg von den Anfängen durch die wichtigsten Epochen bis zur Gegenwart anbieten und einen Überblick über wesentliche Formen, Gattungen, Motive und Themen zu geben.“ (S. 15)

Johann Hinrich Claussen lässt in seinem Buch die Leserinnen und Leser wie durch eine Ausstellung mit zwölf Sälen wandeln, in denen christliche Kunst am Beispiel exemplarisch ausgewählter Gemälde und Darstellungen von ihren Anfängen bis in die Gegenwart vorgestellt und detailliert erläutert wird.

Lydia Davis, Unsere Fremden

h.schoenauer - 03.02.2025

lydia davis, unsere fremdenDie ideale Shortstory ist ein fiktionaler Kitt zwischen zwei scheinbar realen Situationen. Sie kann folglich jederzeit an jedem Ort auftreten und verändert ihr Erscheinungsbild zusammen mit dem Plot, den sie vorgibt zu erzählen.

Lydia Davis schreibt ihre Shortstorys jeweils auf konkrete Publikationsanfragen, nach ein paar Jahren ergibt sich daraus oft ein Sammelband. Da die Geschichten nicht auf Vorrat, sondern aus Notwendigkeit geschrieben sind, erzählen sie meist ein Stück Gesellschaftskritik mit, ehe die Shortstory als Kern einer Fiktion zum Zuge kommt. Und selbst dieser Kern ist meist von einer Rahmenhandlung gehalten, die oft das Wesen der Erzählung ausmacht.

Elsbeth Wallnöfer, How to wear a Dirndl

h.schoenauer - 27.01.2025

elsbeth wallnöfer, how to wear a dirndlWenn etwas als Luftikus-Ereignis für gute Laune sorgen soll, steht es der Wissenschaft nicht gut an, durch tiefernste Forschung die Stimmung zu vermasseln. Das Dirndl ist ein Dresscode für gute Laune, Freizeit und ausgelassene Stimmung, das bevorzugte Einsatzgebiet ist das Münchner Oktoberfest, auf dem vermutlich niemand wegen seiner großer Gedanken unterwegs ist.

Elsbeth Wallnöfer kommentiert in ihrem kulturpolitischen Essay augenzwinkernd Geschichte und Kult rund um das Dirndl. Ohne moralische Belehrung ist ihr Ton wohltuend milde, der dem Themenfeld Tracht, Dirndl und Rustikalität zuteil wird.

Im besten Fall kommt der Jux als Originalzitat an die Oberfläche des Alltags, wenn etwa zwei Sexfilme genannt werden, die eine ganze Generation in den 1970ern aus dem Gewand geworfen haben. „Unterm Dirndl wird gejodelt“ (1973), „Liebesgrüße aus der Lederhose“ (1973).

Susanne Schröter, Der neue Kulturkampf

andreas.markt-huter - 24.01.2025

susanne schröter, der neue kulturkampf„Woke Ideologien entstammen den Universitäten. Dort sind sie entstanden, dort werden sie gelehrt, angeeignet und erprobt. Professoren, Instituts- und Fakultätsleitungen, ja selbst ganze Präsidien werden von woken Aktivisten und ihren akademischen Unterstützern vor sich hergetrieben. Diese geben vor, im Namen von Gerechtigkeit, Humanität und Weltoffenheit zu agieren und sich dem Kampf gegen Diskriminierung verpflichtet zu fühlen. Tatsächlich geht es um die Durchsetzung einer totalitären Ideologie, die weder gerecht noch human ist.“ (S. 13)

Susanne Schröter setzt sich mit gesellschaftlich ideologischen Strömungen auseinander, die zunehmend das politische Leben und den menschlichen Alltag berühren und ihre Vorstellungen und Forderungen durchzusetzen versuchen. Das Sachbuch „Der neue Kulturkampf“ bietet dazu eine kompetente und verständliche Analyse der Grundlagen und Ziele „woker Bewegungen“.

Gottlieb Pomella, An Land gespült / Glücklich gefallen

h.schoenauer - 22.01.2025

gottlieb pomella, poesieMeist sind es die Antriebskräfte Aufbruch und Ausklang, die Menschen Gedichte formen lassen, um für sich etwas Klarheit zu schaffen über die seltsamen Vorgänge rund ums Leben.

Tatsächlich beginnen viele unbeschwert in der Jugend mit dem Gedichte Schreiben, während es wenige sind, die sich im Alter noch einen Traum erfüllen, nämlich das Erlebte auf der Wäscheleine der Poesie aufzuspannen.

Gottlieb Pomella hat sich nach einem von Bildung gespeisten Berufsleben mit knapp siebzig aufgemacht, die Welt hinter dem Filter der Poesie in handfesten Gedichten und prosaischen Einsprengseln zu beschreiben. Seine beiden Gedichtbände „An Land gespült“ und „Glücklich gefallen“ lassen sich einzeln lesen, indem etwa das lyrische Ich zuerst in Aufbruchstimmung das Leben in die Hand nimmt und später im zweiten Teil desillusioniert mit dem Verklingen der Wünsche und Ideen zu kämpfen hat, die beiden Bücher lassen sich auch als zeitgenössische Klammer der Pandemie-Epoche begreifen, sind die Bücher doch 2020 und 2023 erschienen.