Vom Kopf ins Bücherregal - Ein Buch entsteht: Der Vertrieb

Wie viele Arbeitsschritte sind eigentlich nötig, bis ein Buch seinen Weg vom Kopf des Autors ins Bücherregal findet? Am Beispiel der Tiroler Märchen soll die Entstehung eines Buchs nachgezeichnet werden. Dabei wurden alle an der Herstellung des Buches beteiligten Personen über ihre Aufgaben, ihre Ausbildung und ihre Arbeit befragt.

Im 9. Teil des Beitrags Vom Kopf ins Bücherregal: Ein Buch entsteht besuchen wir die Vertriebsabteilung in einem Buchverlag, die für den Absatz der Bücher verantwortlich ist.

Teil 9: Der Vertrieb - Ein Buch sucht seine Verkäufer

Der wirtschaftliche Erfolg eines Verlags hängt vom erfolgreichen Vertrieb seiner Produkte ab, weshalb der Vertriebsabteilung eine ganz wesentliche Rolle innerhalb eines Verlags zukommt. Sie hat die Aufgabe sich um die Verlagsvertreter zu kümmern, welche die Bücher den Buchhandlungen und den Barsortimenten anbieten. Aufgrund dieser wichtigen Stellung innerhalb eines Verlags wird die Vertriebsabteilung bei den wichtigsten Entscheidungen mit eingebunden. Sei es bei der Planung der Auflagenhöhe, der Festlegung des Ladenpreises aber auch bei den Überlegungen für die Werbemaßnahmen für ein bestimmtes Produkt.


Das professionelle Vertreiben von Büchern, sichert den wirtschaftlichen Erfolg eines Buch-Verlags. Dem Vertrieb kommt somit eine zentrale Stellung innerhalb eines Buchverlags zu. Foto: Markt-Huter

Der Vertrieb organisiert die Vertreter-Tagungen und die Teilnahme an verschiedenen Buchmessen. Die Verlagsneuerscheinungen werden in das Verzeichnis lieferbarer Bücher eingetragen, wo die wesentlichen Informationen über ein Buch vom Buchhandel abgerufen werden können. Der Vertrieb übernimmt auch die Inventur im Verlag. Mit der abschließenden Ausarbeitung der Absatz- und Umsatzstatistiken erhält der Verlag schließlich Auskunft über den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg eines Produkts.

 

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Die Leiterin der Vertriebsabteilung des Tyrolia-Verlags, Frau Mag. Veronika Schaffer gewährt im folgenden Interview einen Einblick über die Aufgaben des Vertriebs im Buchverlag und welche Maßnahmen für das Tiroler Märchenbuch ergriffen worden sind.

Lesen in Tirol: Welche Aufgaben erfüllt die Vertriebsabteilung in einem Buchverlag?

Veronika Schaffer: Zu den Aufgaben des Vertriebs gehört zunächst einmal die Betreuung der Buchhandelskunden, der Großkunden des Verlags und der Barsortimente. Barsortimente sind Abnehmer mit großen Lagern mit einem eigenen Transportschnellservice, bei denen ich als Buchhändler meine Bestellung normalerweise bereits am nächsten Tag erhalte.

Der Nachteil besteht darin, dass ich ein nicht mehr benötigtes Buch dort nicht mehr zurückgeben kann. Die Verlags-Auslieferungen, die sich auf die branchenüblichen Transportwege verlassen müssen, können in 2-3 Tagen liefern. Bücher, die nicht mehr benötigt werden, können bei Auslieferungen wieder zurückgegeben werden. Von Seiten des Vertriebs erhalten alle die notwendigen Informationen über unsere Buchneuerscheinungen mit den jeweiligen Buchdaten und Buchpreisen.

Eine weitere Aufgabe des Vertriebs ist die Auslieferung unserer Produkte. Dazu hat unser Verlag Auslieferungen in Südtirol, Deutschland und der Schweiz, die von uns ebenfalls mit unserem Verlagsprogramm versorgt werden. Unser Vertrieb liefert aber nicht nur Bücher des eigenen Verlags aus, sondern auch Bücher anderer Verlage. Während viele Verlage ihre Bücher über große Auslieferungsgesellschaften wie Morawa in Österreich oder Umbreit in Deutschland verbreiten, übernehmen wir die Auslieferung selbst. Dabei ist unsere Vertriebsabteilung sowohl für die Auslieferung als auch für die Betreuung des Lagers zuständig.


Der Aufgabenbereich von Mag. Veronika Schaffer, der Leiterin der Vertriebsabteilung im Tyrolia-Verlag, ist sehr vielfältig und reicht von der Betreuung der Großkunden bis hin zur Organisation der Verlagsauftritte auf den großen Buchmessen. Foto: Markt-Huter

Der Vertrieb eines Buchverlags muss aber auch zahlreiche organisatorische Aufgaben übernehmen. Der jährliche Besuch unseres Verlags auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst, stellt hier den Höhepunkt des Jahres dar. Für die Buchmesse, wo die Verlags-Neuerscheinungen präsentiert werden, muss der eigene Verlagsauftritt organisiert werden. Das beginnt mit der Anmeldung zur Buchmesse und reicht bis zur Quartiersuche für die Teilnehmer bis zur Standbetreuung für den Verlag. Die Frankfurter Buchmesse bietet dem Verlag vor allem die einzigartige Möglichkeit, konzentriert Termine mit seinen Großkunden wahrzunehmen.

Der Vertrieb ist schließlich auch für die Inventur zuständig. Das ist nahe liegend, weil wir unter dem Jahr auch die Aufgabe haben, die Lagerbestände zu überprüfen. Wir zählen dabei die Buchbestände unseres eigenen Lagers und warten dann auf den Inventurbericht unserer Einzelbuchhandlungen und Auslieferungen im Ausland, bevor wir unsere eigene Inventur abschließen können.

Lesen in Tirol: Welche Ausbildung und welche Kenntnisse werden für die Tätigkeit in der Vertriebsabteilung eines Buchverlags benötigt?

Veronika Schaffer: Eine direkte Ausbildung für den Vertrieb gibt es nicht. Es ist möglich, sich mit Hilfe von Seminaren weiterzubilden, die innerhalb der Branche angeboten werden. Wichtig sind EDV-Kenntnisse, die über das Standardwissen hinausgehen. Wer bereits vorher im Buchhandel gearbeitet hat, wird es mit den Gewohnheiten und Fachausdrücken im Verlagswesen und Buchhandel leichter haben. Branchenkenntnisse sind also ebenso von Vorteil, wie buchhalterische Kenntnisse, da es sich im Vertrieb vor allem um Warenwirtschaft handelt. Weil man sehr viel mit Kunden zu tun hat, sollte man kommunikativ sein und auch ein gewisses Organisationstalent mitbringen.

Lesen in Tirol: Wie kommen nun die einzelnen Bücher in die Buchläden? Was sind hier die Aufgaben des Vertriebs?

Veronika Schaffer: Nachdem wir nicht selbst in die einzelnen Buchläden gehen können, um unsere neuen Bücher vorzustellen, beauftragen wir Vertreter mit dieser Aufgabe. Sie erhalten von uns aktuelle Verlagsinformationen zu allen neuen Büchern, also Titel, Inhaltsangaben, Preise und andere wichtige Informationen. Der Tyrolia-Verlag hat in Österreich drei Vertreter mit einem Büro in Wien, die von uns zweimal jährlich zu Tagungen eingeladen werden.

Die Vertreter gehen zu den einzelnen Buchhandlungen, stellen unser neues Verlagsprogramm vor und melden uns, wie viel Stück von den einzelnen Büchern bestellt worden sind. Diese so genannten Vertreteraufträge, werden von uns in der Vertriebsabteilung entgegen genommen, in das Datenverarbeitungssystem eingegeben und sobald das Buch erscheint, wird es von uns an die jeweiligen Buchhandlungen ausgeliefert.


Zu den wichtigsten Kenntnissen, die für den Vertrieb von Büchern benötigt werden, zählen EDV-Kenntnisse, Wissen über den Buchhandel sowie wirtschaftliches und buchhalterisches Know-How. Foto: Markt-Huter

Das wichtigste Werbemittel für den Vertrieb ist immer die Programmvorschau, in der die Informationen und Inhalte des entsprechenden Buches zu finden sind. Es werden in bestimmten Fällen aber auch Freiexemplare verschickt, wenn ich z.B. mein Buch in einem katholische Versandbuchhandel aufgenommen wissen will. Das gehört z.B. zur Betreuung von Großkunden dazu.

Lesen in Tirol: Wie funktioniert der Vertrieb in einem Verlag?

Veronika Schaffer: Das Buch kommt zunächst ins Lager, von wo wir den Lieferschein erhalten, dessen Daten wir in das Auslieferungssystem aufnehmen. Auf dem Lieferschein stehen Buchgewicht, Buchnummer, Stückzahl u.a. Kennzahlen des Buches. Die Anzahl der Bücher wird ab nun im System mit der Stückzahl jedes verfassten Lieferscheins nach unten gezählt, sodass immer die aktuell verbliebene Stückzahl eines Buches angezeigt wird.

Die Lieferscheine werden im Lager ausgedruckt, die Bücher verpackt und versendet. Der Vertrieb muss darauf achten, dass bei entsprechender Nachfrage die Bücher nicht ausgehen, er muss also rechtzeitig darauf aufmerksam machen, damit das Buch nachgedruckt werden kann. Die Entscheidung darüber trifft letztlich der Verlagsleiter, der Hinweis kommt aber aus dem Vertrieb.

Die Vertriebsabteilung hat weiters die Aufgabe, das Auslieferungssystem regelmäßig zu pflegen und weiter zu entwickeln. Damit von Seiten des Vertriebs der EDV-Abteilung die konkreten Wünsche mitgeteilt werden können, sind sehr gute EDV-Kenntnisse erforderlich.

Eine andere Aufgabe des Vertriebs besteht darin, die Neuerscheinungen des Verlags in die Datenbank des Verzeichnis Lieferbarer Bücher - kurz VLB - einzutragen, wo alle lieferbaren deutschsprachigen Bücher für den Buchhandel über Internet oder eine CD-Rom gefunden werden können. Die Verlagsneuerscheinungen werden dabei zweimal jährlich in das VLB eingetragen und bereits vorhandene Daten laufend ergänzt und korrigiert. Dazu gehören Preis, Inhaltsangabe, kurze Autorentexte, Buchformat, Einbandart u.a. Informationen zu einem Buch.

Wer z.B. auf unserer Homepage im Bereich Buchverlag unter Suche einen Buchtitel nachfragt, greift auf das Verzeichnis lieferbarer Bücher zu. Wer sich hingegen unter Online-Shop auf die Suche macht, greift auf den KNO-Katalog zurück. Bei der KNO - der Koch, Neff & Oetinger Verlagsauslieferung - handelt es sich um ein Barsortiment, dessen Dienste von mehr als 160 Verlagen in Anspruch genommen werden.

 
Dem Vertrieb kommt am Ende auch die wesenntliche Aufgabe der Inventur zu. Dabei wird kontrolliert wieviele Bücher bisher verkauft worden sind und wie viele Bücher sich noch in den verschiedenen Buchhandlungen und Buchlagern befinden. Foto: Markt-Huter

Lesen in Tirol: Was waren die konkreten Aufgaben der Vertriebsabteilung im Fall des Tiroler Märchenbuches?

Veronika Schaffer: Die Veröffentlichung von Büchern wie dem Tiroler Märchenbuch wird über eineinhalb bis zwei Jahre vorbereitet. Neue Buchprojekt werden in den regelmäßigen Verlagssitzungen besprochen, wozu auch der Vertrieb seine Einschätzung beisteuert. Für meine Arbeit ist es wichtig, von jedem Buch den Liefertermin zu kennen, den wir in der jeweiligen Programmvorschau veröffentlichen und an die Vertreter und Kunden weitergeben.

Beim Tiroler Märchenbuch kommt auf den Vertrieb die zusätzliche Aufgabe hinzu, allen Tiroler Schulen die Möglichkeit zu bieten, eine Märchenkiste mit Büchern in Klassenstärke (30 Exemplare pro Kiste) auszuleihen. Dazu stellen wir insgesamt drei Märchenkisten zusammen, die bei mir bestellt werden können. Wir verwalten die Termine für den Verleih und organisieren die Versendung der Märchenkiste an unsere Buchhandels-Filialen in Tirol, wo sich die Lehrer die Kiste abholen können.

Mit der Versendung beauftragen wir das Lager, das auch wieder die zurückkommenden Märchenkisten auf ihre Vollständigkeit hin überprüft. Der Märchenkiste werden für alle Schüler Lesezeichen sowie ein Plakat beigelegt, das sich die Klasse behalten kann.

Lesen in Tirol: Vielen Dank für das Interview!

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Weiterführende Links:

 

Andreas Markt-Huter, 24-09-2008

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