Roman

Bessa Myftiu, An verschwundenen Orten

h.schoenauer - 29.11.2010

Buch-CoverManche Orte sind untrennbar mit der eigenen Kindheit verbunden. Verschwindet die Kindheit, verschwinden auch die maßgeblichen Orte dafür.

Bassa Myftiu geht in ihrem Roman verschwundenen Orten während der Zeit des albanischen Kommunismus nach. Dabei schickt sie eine Ich-Erzählerin durch die Erinnerungsfelder eines Stadtviertels in Tirana. So werden Szenen aus dem alten Regime kurz ausgeleuchtet, tauchen seltsam sperrig ins Bewusstsein und verschwinden dann wieder samt der evozierten Ausstattung.

Eva Hornung, Dog Boy

andreas.markt-huter - 25.11.2010

Buch-CoverIn jedem Menschen steckt ja auch ein ziemliches Stück Tier, und wenn die tierischen Umstände Überhand nehmen, bleiben vom Menschlichen oft nur noch Restbestände.

In Eva Hornungs Roman Dog Boy wird ein vierjähriger Junge geradezu gezwungen, ein Hund zu werden. Romochka wartet am Stadtrand von Moskau in einer bitterkalten Wohnung auf seinen Onkel, der aber nicht mehr kommt. So macht sich der Vierjährige auf den Weg an die Grenze der Stadt, und verschwindet bald einmal in einer Fläche aus Brachland, Wald und Müll.

Dan Lungu, Wie man eine Frau vergisst

andreas.markt-huter - 23.11.2010

Buch-CoverDas Wort vergessen ist eine raffinierte Sache, einerseits kann damit alles gemeint sein, was man nicht mehr im Gedächtnis auffindet, zum anderen ist es eine Tätigkeit, etwas elegant zum Verschwinden zu bringen.

So kann die Botschaft in Dan Lungus Roman "Wie man eine Frau vergisst" beides bedeuten, nämlich dass sich der Held nicht mehr an die Frau erinnern will oder dass sie zum Vergessen ist.

Thomas Pynchon, Natürliche Mängel

h.schoenauer - 15.11.2010

Buch-CoverWenn eine Epoche kriminell strukturiert ist, wird quasi von selbst alles, was sich darin abspielt, zu einem Krimi.

Thomas Pynchon arbeitet Amerika mit hyper-realistischen Romanen auf, die jüngste historische Fiktion spielt so um 1970 in Los Angeles. Der deutsche Buchtitel sagt es ohnehin recht treffend, das psychodelische Wundersystem USA hat um diese Zeit ziemliche Mängel, die aber irgendwie als natürlich und vom System gewollt empfunden werden.

Christian Mähr, Karlitos Reich

h.schoenauer - 02.11.2010

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Was haben ein Welt-Kaiser und ein Provinzjournalist gemeinsam? - Sie sind meist deplatziert.

In Christian Mährs Jahrhunderte-Epos geht es um Erkenntnis der Wirklichkeit, wie sie sich jeweils in der gegenwärtigen Zeit und quer über den Zeitverlauf darstellt. Zu diesem Zweck agieren auf gleicher Ebene der glücklose Karolinger Kaiser Karl III und der Provinzjournalist Karl Wohlgemut.

Friedrich Hahn, Von allem Ende an

h.schoenauer - 28.10.2010

Buch-CoverManche Dinge haben kein Ende, weil sie in sich abgeschlossen sind. Nichts ist so dynamisch mit sich selbst beschäftigt, wie das Leben. Und die Literatur greift an manchen Tagen in dieses Leben ein, indem sie es quasi in einer Endlosschleife beschreibt.

Friedrich Hahn lässt seinen Protagonisten Engelbert Steller als Figur ohne Anfang und Ende auftreten. Er ist Buchhändler seiner selbst, das heißt, in seinem Buchladen ist er fast der einzige Kunde, nur manchmal schaut eine Lebensberaterin vorbei und verliebt sich in ihn in losen Zügen.

C. Molero, Bellas letztes Geheimnis

h.schoenauer - 28.10.2010

Buch-CoverManchmal besteht der Reiz der Literatur einfach darin, inwiefern sich der Autor oder die Autorin trauen, vorhandene Klischees bis an den Rand mit frischem Erzählwachs auszugießen.

C. Molero traut sich so ziemlich alles und legt einen Psychokrimi aus der Kitzbühler Tennisgesellschaft vor. Im Mittelpunkt steht Bella, eine Künstlerin und Beziehungs-Jongleuse in erlauchten Kreisen. In der Folge treten ehemalige Jugendfreunde, verflossene Ehemänner, aktuelle Geliebte und deren Anhang sowie der Klischee-berüchtigte Sascha auf.

Selma Mahlknecht, Helena

h.schoenauer - 26.10.2010

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Sagen sind zeitlos und ein deppensicherer Stoff. Wenn jemand Sagen oder Mythen neu erzählt, geht es immer darum, welche rigide Gesellschaft dadurch erzählerisch unterwandert werden soll.

So hat Grillparzer tapfer mit Sagenstoff gegen Metternich gekämpft, DDR-Autorinnen legten dem Honecker manch mythologisches Ei und Selma Mahlknecht meldet sich mit dem Roman Helena aus dem mythologisch abgekämpften Bauch der Südtiroler "Durnikratie".

Otto Licha, Salzkruste

h.schoenauer - 20.10.2010

Buch-CoverDer Sinn des Lebens besteht in einem Garvorgang unter einer Salzkruste. Nach dieser mediterranen Methode des Fisch-Garens bereiten die wahren Helden ihr Leben zu.

Otto Licha führt in seinem Roman ein kleines Personen-Set vor, das behutsam und mit sich selbst beschäftigt durch die Siebziger, Achtziger, Neuziger und Nuller surft. Genau so prägnant, wie das Lebensgefühl eines Dezenniums für die Zeitgeschichte zusammengefasst werden kann, lassen sich auch Biographien zusammen fassen.

Carolina Schutti, Wer getragen wird braucht keine Schuhe

h.schoenauer - 12.10.2010

Buch-CoverDie wahren Geschichte spielen sich meist jenseits der Google-Welt ab, nur in kurzen Schimmern tauchen dabei die Helden auf und verlöschen in sich selbst.

Eine stille Geschichte, die nicht nur unter die Haut geht sondern quasi unter der Haut spielt, hat Carolina Schutti in einem konzentrierten Roman aufbereitet.