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Krimis sollte man am Abend lesen, Lyrik am Morgen. Eine kleine Restwahrheit ist dran an dieser Leseempfehlung, schließlich gibt es für manche Tage nichts Aufbauenderes, als am Morgen ein paar Gedichte zu lesen.

Lisa Mayer hat in ihrem jüngsten Gedichtband sogar ein lyrisches Morgenentree geschaffen, worin helle, ermunternde Texte den Leser zu Optimismus einladen. Die Sonne beugt sich quasi vom Balkon ihres eigenen Firmamentes, bürstet das erste Licht des Tages, das Ich betritt den Tag durch eine Apfeltür, jemand pflückt gut gesonnen einen Fächer aus Vogelstimmen und die Welt liegt da in stiller Umarmung.

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Er heißt Brahms und sie heißt Koller, zusammen ergeben sie Brahmskoller, eine Geschichte in ein Wort verschweißt.

Markus Köhle erzählt in den vollen Bässen einer herkömmlichen Erzählhaltung und gleichzeitig in den Übertönen des Experiments. In der Praxis schaut das dann so aus, dass sich in der Grundgeschichte das Abenteuerliche, Gewöhnliche und überirdisch Triviale abspielt, und immer wieder fallen diese Textvorhänge ein und verschleiern das bisher Erzählte durch ein grell-geiles Muster einer Fundamentalimprovisation.

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"Am Ufer der Frosch / schaut Sonne / und springt.§ (34) Das ist ein sehr sympathischer Frosch, offensichtlich hat er in der Sonne das Programm eines miesen Fernsehkanals gesehen oder eine übergeschminktes Porträt und springt.

Nach seinem groß angelegten wissenschaftlichen Werk "Psychologie und Kunst vom Sehen zur sinnlichen Erkenntnis" vertraut Wolfgang Tunner in diesem Band der verdichteten Lyrikform, die Erkenntnisse sind quasi wie Strecknadeln auf die gigantische Pinwand der Sinnlichkeit gesteckt.

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In Politik und öffentlichem Ansprachenverkehr gibt es kaum ein Wort, das so innig verwendet wird wie Öffnungen.

Ob es sich nun um Ostöffnungen, Öffnungen am Arbeitsmarkt oder kulturelle Öffnungen handelt, immer soll dieses Wort auch einen leichten Durchzug verströmen, als ob es selbst eben eine Öffnung entfahren wäre.

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Tiraden können gesteigert werden! Vor gut sieben Jahren hat Günther Kaip unter dem Universal-Titel "Nacht und Tag" eine Grundtirade veröffentlicht.

Jetzt ist der Text mindestens doppelt so lang und doppelt so heftig. Graphisch hat außerdem Joseph Kühn anständig das Messer gewetzt, um Messerschnitte der archaischen Art zu inszenieren.

Buch-CoverManchmal ist der Beginn einer Geschichte so unglaublich, dass selbst die Figuren der Geschichte darüber den Kopf schütteln und sich fragen, ob es so etwas in der Literatur geben kann.

Im Roman von den fabelhaften Strudelbakers fährt ein Onkel des Protagonisten Wolfy als Toter mit der Straßenbahn durch Wien, es ist genau 1937 und ein Samstagabend. Die Reise des Toten ist symptomatisch für die Geschichte des Kontinents am Vorabend der Judenvernichtung durch die Nazis. Die Verwandten von Onkel Kalmann flüchten von Wien nach London und gelten dort als "Flichtlinge", dieser spöttische Ausdruck sagt es genau, was sie erwartet: Unwillkommenheit! Man tut zwar verbal sehr human, in Wirklichkeit aber ist hier niemand willkommen.

Buch-CoverManchmal braucht es in der Lyrik das große Lineal, um dem Sprachgebrauch auf die Finger zu klopfen, wenn er zu vorwitzig ist. Das tut dann weh sozusagen. Und schlicht "sozusagen" heißt der Gedichtband Josef Schweikhardts, in dem Poetisches nicht nur vermischt sondern auch gleich aufgemischt wird.

Rasante Lyrik trägt immer auch ein Konzept als Schärpe durch die Gegend, der Autor hat sein aktuelles Konzept in einem Vor-Waschzettel formuliert. "Die Zonen verbaler Unschärfe bilden im Zeitalter von Morphing und fuzzy logic ein atmosphärisches Feld jenseits binärer Sprachspiele: eine Chance für geöffnete Redeweisen. Das Helle ist dunkel, das Tragische komisch genug. Und sozusagen umgekehrt."

Buch-CoverUnter dem Firnis der Schönheit sind die Dinge oft anders und manche Sachverhalte sind ausgesprochen schrecklich und grauenerregend. Die Aufgabe der Literatur muss es sein, diesem Schrecken auf den Grund zu gehen.

Petra Ganglbauer hängt das lyrische Ich in eine aufregende Welt voller Verstrickungen und Verknüpfungen. Wie in einem imaginären Schöpfungsbericht liegt das Ich noch im Dunkeln. "Im Dunkel. Und dann frage ich dorthin." (7) Dieser fragende Zustand zieht sich als Rettungstau durch den Text, letztlich werden Rufe daraus, wie es im Titel des Buches heißt.

Buch-CoverDie Litaraturgeschichte ist ja in der Hauptsache auch eine besondere Form der Literatur, die eine Hälfte wird als historisch relevant eingestuft und zu einem Kanon ausgebaut, die andere Hälfte gilt als unwahrscheinlich und wird aus der offiziösen Geschichtsschreibung herausgefiltert.

Wesentliche Bausteine dieser Literaturgeschichten sind Biographien von Autoren, die mehr oder weniger skurrile Lebensläufe beisteuern, dabei reicht die Schicksalspalette vom Geniekult über das soziale Außenseitertum bis hin zum standardisierten Krankheitsbild. Das Schlimmste, was ein Autor machen kann, ist ein unauffälliges Leben zu führen, denn dann fällt er mit Garantie aus der Geschichtsschreibung.

Buch-CoverEin Kalauer ist immer auch ein Beweis von Kühnheit, bei einem guten Kalauer staunt das Publikum eher über den Anwender, als über dessen Sager. Man erwartet sich einen bestimmten Satz, weil er quasi auf der Zunge liegt, und ist dennoch erstaunt, wenn er wirklich in der erwarteten Form kommt.

Reinhold Aumeier hat für seine Augenausfischerei eine komplette Literaturgattung erfunden "das Konglomerat". Dieser aus der Erdkunde übernommene Begriff beschreibt recht gut einen zusammengepressten Satzballen, perfekt verdichtet und luftlos aneinandergepresst donnert das Sprachkonglomerat durch das Buch, vorne hinein und hinten heraus wie eine gewaltige Lawine.