gerhard ruiss, reimverbote und andere schreibaufträge„Wenn etwas zum Ausdruck gebracht werden muss, lässt es sich weder durch Vermeidungen umgehen noch durch Umgehungen vermeiden.“ Gerhard Ruiss und Klaus Zeyringer arbeiten seit einem Vierteljahrhundert „so nebenher“ an der Beobachtung jener Widerstandsliteratur, die als Myzel unterhalb des öffentlichen Literaturbetriebs ausschweift und fallweise als Fruchtkörper aufschießt.

Eine Besonderheit dieser Literatur ist es, dass sie scheinbar ohne Sinn jäh auftaucht und bei Usern und Produzierenden große Freude auslöst. Vor allem die Sinnhaftigkeit macht allen Beteiligten großen Spaß, denn mit den „Reimverboten“ wird nicht nur groteske Literatur zum Leben erweckt, sondern hinterher auch noch mit einem Sinn ausgestattet.

stell j. jones, liebe in den kleinen dingen„Liebe ist was Großes! Sie ist wie Prickelbrausepulver im Mund und Schmetterlinge im Bauch und ein Feuerwerk aus Knallfunkelsternen, alles auf einmal. Sie ist so groß, dass mir schwindlig wird. Mir auch.“

Wie wunderschön doch die Liebe sein kann, bringt das Bilderbuch „Liebe in den kleinen Dingen“ sprachlich und bildlich recht anschaulich zum Ausdruck. In zahlreichen schönen Metaphern und Bildern werden dabei die Größe und Tiefe von Freundschaft und Liebe beschworen.

matthias oppermann, edmund burke„Burke jedoch kann nur in seinem eigenen Jahrhundert verstanden werden. Politik war für ihn keine Sache von Ideologien, sondern die an den Tugenden der Klugheit und Mäßigung orientierte Suche nach Lösungen für konkrete Probleme. Als Whig, der nur angesichts der Französischen Revolution die Notwendigkeit verspürte, sich als »Old Whig« zu bezeichnen, war er ein Kind des Zeitalters der Aufklärung.“ (S. 10)

Matthias Oppermann Biographie des britischen Staatsmanns und Philosophen Edmund Burke ist gleichzeitig eine Reise durch die englische Geschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die vor allem vom Siebenjährigen Krieg, dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und der Französischen Revolution geprägt sind. Die Biographie eröffnet aber auch tiefe Einblicke in das Leben und Arbeiten im britischen Parlament und in der Regierung dieser aufregenden Epoche.

natasha pulley, der leuchtturm an der schwelle der zeit„Den meisten Menschen fällt es schwer, sich ihrer frühesten Erinnerungen zu entsinnen. Es kostet sie Mühe, so als streckten sie sich nach ihren Zehen. Joe aber ging es nicht so – was daran lag, dass diese Erinnerung eine Woche nach seinem dreiundvierzigsten Geburtstag entstand. Er stieg aus dem Zug. Das war es: das Allererste, woran er sich erinnerte.“ (S. 11)

Nachdem Joe Tournier im Jahr 1898, 93 Jahre nach der Schlacht von Trafalgar in London aus dem Zug steigt, muss er feststellen, dass der Schaffner den Bahnhof mit einem französischen Namen ankündigt: Londres, Gare du Roi. Auch alle anderen Schildern trugen französische Bezeichnungen wie Musée Britannique, Metro oder Demoulins-Linie. England ist französisch geworden.

jörg piringer, fünf minuten in die zukunftDer Ausblick ist gebremst optimistisch, wenn sich jemand nur kurz in der Zukunft aufhalten möchte. Die „fünf Minuten in der Zukunft“ erinnern an das klassische „nach zwölf“, wo alles schon zu spät ist. Andererseits sind diese paar Minuten höchstens eine Art Probe-Abo, das man sich kurz anschaut, ohne mit voller Kraft in die Zukunft zu schreiten.

Jörg Piringer versucht mit den Mitteln von abgebrühter Lyrik und innovativer Graphik-Software ein paar Augenblicke lang in die Zukunft zu schauen. Dabei wird die Gegenwart standfest gemacht, damit man das lyrische Personal mit dem Spielbein ein wenig ins Ungewisse hineintappen lassen kann.

joke van leeuwen, ich bin hier!„Wolem war ein Städtchen mit schmalen Straßen. Die Menschen von Wolem sahen über ihrem Kopf nicht mehr als einen kleinen Streifen vom riesigen Himmel. Ein Gebäude dort ragte hoch über alle Häuser hinaus. Es war ein Gebäude mit dreißig Stockwerken. Niemand fand es schön, aber alle sagten, dass Wolem mit diesem Gebäude auf der Höhe der Zeit sei. Jona verstand nicht ganz, was das bedeutete. Dann musste die Zeit ja wohl hoch sein, dachte sie. (S. 9)

Jonas Mutter ist nach einer schweren Krankheit gestorben. Kurz zuvor hat sie Jonas Vater gebeten, sich um ihr Kind zu kümmern und wichtiger zu nehmen als seine Arbeit. Seit dieser Zeit besucht Jona ihren Vater nach der Schule immer in seinem Büro im zwanzigsten Stock eines riesigen Hochhauses.

bernhard setzwein, kafkas reise durch die bucklige weltAufregende Vorstellung: Franz Kafka hat 1924 seinen Tod nur vorgetäuscht, ist untergetaucht, hat die Nazis überlebt und erscheint nach 1945 in Meran, wo er im Apollo-Kino Karten abreißt. Als Qualifikation für diese Tätigkeit dient ihm die eigene Erzählung vom Türhüter, welcher bekanntlich streng darauf achtet, dass niemand Falscher das Gebäude betritt.

Bernhard Setzwein schöpft mit seinem Roman „Kafkas Reise durch die bucklige Welt“ in vollen Zügen aus dem Mythos „Kafkaniens“. In diesem Reich halten sich das Groteske, Bürokratische und Entgleiste die Waage. Südtirol ist als wundersamer Fixpunkt verankert: Seit 1920 Franz Kafka eine schwere Depression in Meran zu lindern versucht, wird in der Literaturszenerie diese Kurstadt zum Inbegriff für schwermütige Heilungsversuche.

katja brandis, der fuchs von aramir„»Was passiert, wenn ich das nicht schaffe?« »Im Hafen liegt gerade eine Galeere aus Aelius, sie muss nach einem Gefecht repariert werden«, sagte Fürst Jolon gut gelaunt. »Ich habe gehört, dass der Kapitän gerade Ruderer anheuert … oder kauft. Einen kräftigen Burschen wie Euch können die bestimmt gebrauchen.« Üblicherweise erkenne ich einen Witz, wenn ich ihn höre. Das hier war keiner. Eigentlich war Sklaverei in unserem Stadtstaat und in den meisten umliegenden Ländern längst abgeschafft.“ (S. 14)

Devan KeNorall arbeitet als Fuchs und steht im Ruf, scheinbar aussichtslose Aufträge erfüllen zu können. Nach dem Scheitern einer misslungenen Waffenbergung vom Meeresgrund verlangt sein Auftraggeber Jolon SiMano den Wert der Ladung bis zum nächsten Tag zu begleichen. Sollte ihm dies nicht gelingen, droht das mächtige Mitglied des Herrscherclans der Stadt Aramir Devan als Sklave auf eine Galeere zu verkaufen.

mike markart / martin g. wanko, triestDie großen Porträts über Städte berichten nicht von den Umtrieben der Helden darin, sondern von den Anreisen, Annäherungen und Fluchten in deren Hinterland. Mike Markart und Martin G. Wanko erzählen von der magischen Stadt „Triest“ aus einer steirischen Hinterlandperspektive heraus. Die konnotierten Träume zum schroffen „Triest“ bestehen aus Meer, Stadt, Nacht und Wind.

Mike Makart nähert sich Triest in fünf Erzählungen. Dabei ist die Stadt unverwechselbar erkennbar, aber die vorgeschalteten Erlebnisfilter machen den schwärmenden, vazierenden und flanierenden Ich-Helden zum Hauptthema.

rebecca gugger. der wortschatz„An einem milden Herbstmorgen war Oscar beim täglichen Löcherbuddeln. Da entdeckte er eine prächtige Holztruhe. Fabelhaft! Was könnte wohl in der alten Truhe verborgen sein? Zwei Tage später. Im Nu hatte Oscar die Truhe geöffnet. Ganz anders als erwartet lagen da bloß Wörter herum. Allerhand Wörter. Ein beachtliches Durcheinander.“

Oscar findet eine große Truhe vollgefüllt mit Wörtern. Ein wenig enttäuscht, weiß er nicht wirklich etwas damit anzufangen. Er holt das Wort „QUIETSCHGELB“ heraus und quetscht und zieht und dehnt es und wirft es dann gelangweilt fort. Aber bald schon stellt sich heraus, dass in den Wörtern mehr steckt, als er zunächst geahnt hat.